Birne sucht Helene
Blasenentzündung holen. Die Wohnung war riesig und erinnerte an eine Flughafenwartehalle. Sie war mehr als eine Nummer zu groß für einen Buchhändler mit seinem Gehalt, er musste ebenso reiche wie großzügige Eltern haben. Beneidenswert. An den Wänden hingen riesige, gerahmte Plakate von Sportwagen, sonst nichts.
Eli wanderte umher. Die Pflanzen sahen allesamt fantastisch aus. Roman musste einen grünen Daumen haben. Das schätzte Eli an Männern. Sie leuchtete näher an den großen Ficus. Auf dem Topf pappte ein Aufkleber: Grüner wird’s nicht – Kölner Mietpflanzen-Service.
Er musste wirklich sehr, sehr reiche Eltern haben.
Vor dem großen Panoramafenster zum Rhein stand ein Crosstrainer. Allerdings sah er noch brandneu und völlig unbenutzt aus.
Vom Bett her kam ein lautes Schnaufen, und Roman drehte sich um.
Eli hatte die Luft angehalten. So berechtigt ihr Interesse, so peinlich wäre es, wenn Roman sie mit der Taschenlampe herumlaufen sah. Da könnte sie sich höchstens mit Restalkohol herausreden …
Siemusste schnell machen.
Als Nächstes zur CD -Sammlung. Beim Essen mit Sabine und Lars hatte Roman nur ganz leise im Hintergrund etwas laufen lassen, nicht mehr als ein rhythmisches Rauschen. Jetzt stellte sich heraus, dass Roman eine Sammlung hipper Chill-out-Musik aus Ibiza besaß, dazu noch etliche Bands, die sie nicht kannte, auf deren Covern aber fast immer Strand- und Bikini-Schönheiten prangten. Ihr Musikgeschmack war das ganz bestimmt nicht – aber sie war offen für alles. Es war doch schön, wenn ein Mann einem ganz neue Welten eröffnete.
Vorsichtig schwenkte sie den Schein ihrer kleinen Lampe über den Boden, um gegen nichts zu stoßen. Die Küche! Darauf war sie besonders gespannt. Welche kulinarischen Leckerbissen warteten im Kühlschrank, die er bald für sie zubereiten würde? Die Tür des amerikanischen Metallungetüms gab beim Öffnen ein Geräusch von sich, als würden zwei Elefanten knutschen. In seinem Inneren verbarg sich … nichts. Na gut, es war kein völliges Nichts. Aber eine Flasche Orangensaft, eine Milchschnitte und ein alter Pizzakarton samt mittlerweile knochenhartem Inhalt konnte wohl nicht als Speisekammer gewertet werden. Sogar in Kate Moss’ Kühlschrank stand sicher mehr. Wenn die Atombombe fiele, könnte Roman sich keinen Nachmittag lang allein versorgen. Elis Mutter würde bei diesem Anblick sagen, dass er dringend eine Frau bräuchte, die sich um ihn sorgt. Und so erschreckend das war: Eli musste ihr zustimmen.
Bevor Roman von der Helligkeit des Kühlschranks wach werden konnte, verschloss sie diese Eiswüste wieder und stellte den Lichtkegel ihrer Taschenlampe größer, um damit einen großen Schwenk durch Romans Traumprinzenreich zu vollführen.
Erst jetzt fiel Eli auf, dass etwas fehlte, etwas unglaublich Wichtiges. Bücher! Roman hatte scheinbar kein Einziges, selbst auf dem Nachttisch lag keins. Es gab auch keine Schrankwände, in denensich seine Schätze verbergen konnten. Ein Buchhändler ohne Bücher? Das war ja wie ein Schreiner ohne Möbel. Das gab es doch gar nicht. War das vielleicht gar nicht seine Wohnung, sondern die eines reichen Freundes, der gerade in Abu Dhabi oder Shanghai wichtige Geschäfte machte? Wie konnte sie das nur herausfinden?
Sein Schreibtisch! Ein Kunstwerk aus Aluminium und Glas. Darauf befand sich ein ultradünnes Notebook in Holzoptik. Aber das durfte sie wirklich nicht hochfahren. Das war Intimsphäre. Nein, das ging gar nicht.
Eli schaltete es ein. Das Ding piepste so laut, als sei es ein hungriges Dinosaurier-Küken.
»Was ist los?«, kam es schläfrig vom Wasserbett. Eli klappte den verräterischen Computer schnell zu, schaltete ihre Lampe aus und hielt die Luft an.
»Eli?« Den Geräuschen nach zu urteilen, tastete Roman mit der Hand das Bett nach ihr ab. »Bist du auf der Toilette?«
Eli sagte nichts. Für gefühlte drei Stunden. Dann klang Romans Atem wieder gleichmäßig tief. Als sie die Lampe zitternd erneut einschaltete, ging sie leise zu ihm hinüber. Er schien fest zu schlafen. Ausgebreitet lag er im Bett, alle viere von sich gestreckt. Elis Herz pumpte immer noch so schnell in der Brust, als wolle es lieber explodieren, als diesen Wahnsinn auch nur eine Minute länger zu ertragen. Doch Eli war noch nicht zufrieden.
Wahrscheinlich war es eine unsinnige Frage, ob dieses Luxusloft Roman wirklich gehörte – doch sie fraß sich immer tiefer in Elis Bewusstsein, wie die kleine Raupe
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