Birne sucht Helene
dass es an der Zeit war, ein echtes Weib zu werden.
Außerdem hatte sie sich beim Power-Yoga immer wie im chinesischen Staatszirkus gefühlt. »Sonnengrüße« – Pah! Die Sonne grüßte sie jetzt mit der rechten Geraden.
Heute war Benny ihr Trainer. In Bennys Adern floss kein Blut, sondern pures Testosteron. Er war ein Silberrückenmännchen und so breit wie ein Einbauschrank. Benny gab auch Unterricht in Kickboxen und Ho Sin Do – bei Letzterem kämpfte man wahrscheinlich mit spitzen Essstäbchen. Gegen Pekingenten. Nach einem Training bei ihm war man zu fertig, um noch irgendwas zu denken. Geschweige denn, den eigenen Namen zu wissen.
Und das war gut so.
Punkt acht ging es los. Normalerweise der Zeitpunkt, an dem sich Eli auf ihre Couch fallen ließ und nur noch den Finger über die Fernbedienung bewegte.
Jetzt hieß es: Warm-up, dann Sit-ups und Liegestütze. Benny war ein Schleifer. Wer einen Sit-up nicht richtig ausführte, bekam fünf extra. Und keine Widerworte. Die dicke Klara bekam immer ein paar gratis – und erschien trotzdem zu jedem Training.
Eli boxte sich innerlich. Gott, wie konnte sie nur so dumm gewesen sein, sich auf Roman einzulassen? Beziehungen am Arbeitsplatz waren immer eine schlechte Idee. War man zusammen, lief man sich viel zu oft über den Weg. Wo blieb da das Aufeinanderfreuen? Und war man nicht mehr zusammen … Hölle! Wie sollte man da einen sauberen Schlussstrich ziehen, man sah den Ex ja immer. Dazu kam das Getuschel der Kollegen. Sie konnte gar nicht lange genug krank sein, das würde ihr ewig nachhängen. Bei jedem neuen Buch mit Trennungsgeschichte würden die liebenKolleginnen es ihr unter die Nase reiben. Vor kurzem hatte sie ein Angebot bekommen, in die Filiale nach Schirgiswalde zu wechseln.
Schirgiswalde – Perle der Oberlausitz.
Kulinarische Spezialitäten waren dort Quirlfett, Deichelmauke und Schälklöße. Eli hatte sich informiert.
Leider.
Doch vielleicht war ein Neuanfang in der Walachei genau das, was sie jetzt brauchte. Dann musste sie Roman wenigstens nie wiedersehen – und damit nicht mehr permanent ihre eigene Blödheit vor Augen haben.
Endlich durfte sie an den Sandsack. Den würde sie fix und fertig machen!
»Scheiße, Eli! Nicht blöd drauflosschlagen. Gezielte Geraden, sonst kannste gleich noch mal zwanzig Liegestütze machen. Auf einem Arm!«
Gezielte Gerade. Auf Romans große, hässliche, verlogene Nase.
Jetzt erst fiel Eli auf, wie wichtig Roman die Uhrzeit bei ihrem Treffen am Müllemer Böötche gewesen war. Dabei fuhren die Schiffe doch alle paar Minuten. Aber auf eben dieser einen Fähre war der Glatzkopf, mit dem er den Rettungsdeal ausgehandelt hatte. Und – natürlich! – seine Klamotten. Das war der einzige Tag, an dem er nicht wie aus dem Ei gepellt ausgesehen hatte. Er wusste schließlich, dass er mit den Sachen in den Rhein springen würde. Alles geplant, bis ins kleinste Detail. Und sie hatte es nicht bemerkt.
Nimm dies! Und das! Und hier, hier, hier!
Die Zahlen hatten von Anfang an nicht gestimmt. Keine 270313 . Und sie hatte nichts darum gegeben.
»Eli, Schluss jetzt! Komm zu mir an die Pratzen – und konzentrier dich, wenn dein Frauenhirn das auf die Reihe bekommt.«
Pratzen, so nannten die Experten, zu denen sich jetzt auch Eli zählte,die Schlagkissen, in die es zu treffen galt. Mal hielt Benny sie hoch, mal weit auseinander.
»Ist das alles, was du draufhast? Dann geh lieber zurück an deinen Herd. Meinst du, das ist ein Tanztee hier? Na, komm, mach schon. Feste! Lass deine ganze Wut raus.«
Manchmal wussten Menschen, wenn sie etwas Falsches sagten. Manchmal nicht. Eli traf, sie traf sogar sehr gut. Ein lehrbuchmäßiger Aufwärtshaken. Doch sie traf nicht die Pratzen. Sie traf Benny ans Kinn. Er fiel um wie ein Baum.
Knockout in der ersten Runde. And the winner is … Eli Spatzner! In diesem Moment hatte sie eigentlich nicht Benny eins verpasst, sondern Roman. Und für einen kurzen Augenblick, bevor sie begriff, wen sie gerade umgenietet hatte, fühlte sie sich grandios.
Dann war das Training für sie leider beendet.
Nach der Dusche kam Benny zu ihr, einen Kühlpack ans Kinn haltend. »Geiler Schlag, Eli. Aber wenn du das noch mal bringst, fliegst du raus.«
Ihr Handy klingelte. Kein hipper Klingelton, kein Top-Ten-Track, kein pupsender Frosch. Es klang wie ein altes Telefon. Sie ging ran, ohne auf die Nummer zu achten.
»Was denn? Ich bin in der Umkleide!«
»Spreche ich mit Frau Elisabeth
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