Birne sucht Helene
Bonner Uni-Klinik. – Ach, das geht? Ja, dann direkt verbinden! – Hallo, hier ist Spatzner, ich muss heute meine Mutter besuchen und weiß nicht, wie ich mit dem Auto zu Ihnen komme. – Aus Köln, ich fahre gerade auf der 555 . – Sekunde, das schreibe ich mir lieber auf.« Als Eli diesmal langsamer wurde, gab der LKW keine Lichthupe. Er überholte sie mit einer eindeutigen Geste, die Eli zum Glück nicht sah. »Hab ich, danke schön! Bis gleich.« Gut, dass sie die alten Servietten noch dabeihatte, dafür brauchte sie nun einen neuen Lippenstift.
So, jetzt konnte nichts mehr schiefgehen.
Plötzlich blinkte im Heckfenster des Autos vor ihr etwas auf: Bitte folgen!
Es war ein Streifenwagen.
Warum tauchte der jetzt auf? Und warum sollte sie ihm folgen? Was hatte sie getan? Langsam fahren war ja wohl nicht verboten! Immer, wenn man es eilig hatte. Na, denen würde sie was erzählen. Eli ordnete ihre Haarsträhnen. Gut auszusehen konnte nicht schaden. Vielleicht noch mal die Wimpern tuschen? Wann hatte sie eigentlich das letzte Mal ihre Augenbrauen gezupft?
Der blau-silberne VW Passat fuhr die nächste Ausfahrt hinaus und hielt unter einer Brücke. Dann passierte erst mal nichts. Niemand stieg aus, Eli auch nicht. Wieso ließen die sie jetzt warten? Eli ertappte sich dabei, wie sie an den Fingernägeln kaute. Sie musste irgendwas tun, sonst wurde sie wahnsinnig. Dann würde sie jetzt eben Zeitung lesen, bis sich die Herrschaften aus ihrem Auto bequemten. Aber kein langer Artikel. Kontaktanzeigen! Ah, wieder was Neues von »Birne sucht Helene«. Wieso eigentlich Birne?Sah er etwa so aus? Vielleicht war er auch ein dicker Brummer, der nur Süßkram wie Birne Helene aß. Und war Helene nicht die schönste Tochter von Zeus, die später den trojanischen Krieg auslöste? Oder hieß die Helena?
Auf jeden Fall klang er richtig nett.
Sie blickte kurz in Richtung Streifenwagen. Ein Polizist war ausgestiegen und sprach etwas in sein Funkgerät, der andere öffnete nun ebenfalls die Tür. Es war eine Frau. Mist! So viel zur Idee, die Staatsmacht zu becircen. Sie würde sicher Führerschein und Fahrzeugpapiere zeigen müssen. Wo hatte sie die bloß? Im Portemonnaie waren sie nicht … wahrscheinlich rausgerutscht …
Es klopfte am Fenster.
Und erst jetzt bemerkte Eli, dass sie nicht angeschnallt war.
Paul roch schon im Flur seiner Wohnung den Senfrostbraten. Vor vier Tagen hatte er ihn nach einem Rezept von Alfred Biolek zubereitet – und aß immer noch daran. Er hing ihm zum Hals raus, dabei war der Braten gar nicht so schlecht geworden. Biolek hatte ihm zu Recht drei langgezogene Mhms und ein großes Augenrollen gegeben. Aber jeden Tag? Doch wegschmeißen ging nicht, denn Respekt vor Nahrungsmitteln, vor allem für Fleisch, für das immerhin Tiere ihr Leben gaben, hatte Sternekoch Julius Eichendorff ihm eingeimpft. Also würde es heute wieder Senfrostbraten geben.
Als er das Prachtstück in der Küche aus der Tupperdose befreite, sah er, dass ein großes Stück fehlte. Scheinbar war Andy gekommen und hatte seiner Fleischeslust gefrönt.
»Bin da! Wer noch?«, rief Paul Richtung Wohnzimmer. Keine Antwort. »Andy? Hallo?«
Auf dem Sofa lungerte er nicht rum. Komisch. Vielleicht war er auch nur kurz hier gewesen, hatte den Kühlschrank geplündert und war wieder abgedüst. Paul beschloss, duschen zu gehen und sich danach in seine neueste Kochbuch-Errungenschaft zu vertiefen,die er extra für das Picknick mit der atemberaubenden Asiatin erstanden hatte: Sexy Food – Rezepte für Zwei . Um Austern und Champagner würde sein Portemonnaie nicht herumkommen, so viel war bereits klar. Als Paul ins Bad gehen wollte, fand er die Tür verschlossen.
»Andy? Bist du etwa da drin? Im Badezimmer ?« Er hämmerte dagegen. »Andy? Nimmst du da … Drogen?«
Eigentlich nahm Andy nur eine Droge, und die hieß Kölsch. Und nie hatte er sich für deren Einnahme im Badezimmer verbarrikadiert. Das sah ihm alles überhaupt nicht ähnlich. Weder intensive Körperpflege noch intimer Drogenkonsum passten zu Andy. Paul musste unbedingt nachsehen, was da los war. Wie gut, dass er ausgebildeter YPS -Detektiv war! Er holte ein Blatt Papier, schob es unter der Tür durch und drückte mit einem kleinen Schlitzschraubenzieher den Schlüssel aus dem Schloss. Der Schlüssel fiel aufs Papier, Paul zog es zu sich, und schon konnte er ins Badezimmer.
Was er hinter der Tür sah, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen. Andy saß mit
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