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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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Ende des Flurs, in unserem Schlafzimmer; ich bin trotz seiner Proteste ins Gästezimmer umgezogen. Es ist mir lieber so; das Bett hier ist kleiner, und ich spüre nicht ständig die Leere, wo eigentlich Jozef sein sollte. Jozefs und mein Ehebett ist alt – wir haben immer noch die billige Matratze aus unserer Wohnung in der Stadt, als Stane noch nicht geboren war und wir noch kein Geld hatten. Sooft Karel sich umdreht, höre ich das Gestell knarzen. Wahrscheinlich ist das Gästebett längst das bessere Bett, denke ich plötzlich. Ich hätte ihn darin schlafen lassen sollen.
    Vielleicht hat er ja das gemeint, meldet sich eine kleine Stimme. Vielleicht ist es das, was du brauchst: Karel jetzt in dieses Bett einzuladen.
    Karel und ich haben immer geflirtet; das ist Karels Art, und er kann es sich leisten, weil er weiß, dass nur wenige Frauen ihn ernst nehmen. Und es war immer das Beste, für ihn wie für mich, wenn ich darüber hinweggesehen habe.
    Aber mehr und mehr erinnert mich Karel an jemanden, den ich vor vielen Jahren einmal kannte. An einen jungen Mann, der in mich verliebt war, bevor ich Jozef kennenlernte.
    Dieser Mann, Peter, studierte Mathematik an der Universität von Ljubljana. Ich bediente damals in einem Café. Und über Monate hinweg kam Peter tagtäglich in dieses Café und trank, wie so viele Studenten, sehr lange an seinem einen Kaffee herum. Seine Bücher lagen aufgeschlagen vor ihm auf dem Tisch, aber hauptsächlich sah er melancholisch hinter den Mädchen her, die kamen und gingen. Ich fand ihn nett – er gab mir immer ein Trinkgeld und beschwerte sich nie über etwas -, aber darüber hinaus verschwendete ich keinen Gedanken an ihn. Er war mir zu schüchtern. Ich war einundzwanzig, und Männer durften bei mir damals noch Draufgänger sein.
    Aber dann fand ich eines Tages, als ich Peters Tisch abwischte, einen zusammengefalteten Zettel mit meinem Namen darauf. Anica, stand da, ich kann nicht länger schweigen. Ich bin seit vielen Monaten in Dich verliebt. Hier ist meine Nummer; wenn Du mich anrufst, wäre ich sehr, sehr glücklich. Aber wenn nicht, dann verstehe ich das auch, und ich komme nie mehr wieder her und falle Dir zur Last. Alles Liebe, Peter.
    Ich fand das Briefchen sehr rührend, und ich hob es auf, weil es eine Liebeserklärung an mich war. Aber ich rief Peter nicht an. Er hielt Wort; ich sah ihn nie wieder. Und dann, nicht viel später, kam Jozef ins Café, und ich dachte an keinerlei andere Männer mehr, für eine sehr lange Zeit nicht.
    Drei Jahre später fiel mir Peters Briefchen wieder in die Hände – als ich packte, um in dieses Haus zu ziehen. Ich war nicht viel älter, aber etwas in mir hatte sich verändert. Als ich das Briefchen wiederlas, schämte ich mich über mich selbst. Plötzlich sah ich Peter vor mir, wie er an diesem Abend und vielleicht noch am Abend danach neben dem Telefon gewartet haben muss, den Magen in tausend Knoten. Wie ihm klar und immer klarer geworden sein muss, dass er gewagt und verloren hatte. Ich hätte ihn wenigstens anrufen und dankend ablehnen sollen. Oder doch einmal mit ihm ausgehen, einfach nur, um zu sehen; einfach um nett zu sein. Ich las das Briefchen wieder und wieder, und ich hoffte, dass er verheiratet war, und dass er glücklich war.
    Und bald, nach genügend von Jozefs Klettertouren, begann ich noch auf andere Weise an Peter zu denken. Als den Ehemann, den ich hätte haben können. Wenn Jozef mich und Stane wieder einmal allein gelassen hat und wir dasitzen und auf Nachricht warten, ob er lebt oder tot ist, frage ich mich, ob ich in den dünnen Armen von Peter dem Mathematiker nicht vielleicht glücklicher geworden wäre, der jetzt fünfunddreißig ist und wahrscheinlich schon schütteres Haar hat und einen weichen, dicklichen Bauch, den man im Bett schwabbeln fühlt.
    Wo immer er ist, so sehr anders als Karel wäre er wahrscheinlich nicht. Beide sind sie Männer, die mehr im Geist leben als im Körper. Denen Sicherheit im Leben wichtig ist. Ist es schlimm von mir, dass ich so an Karel denke – als eine Alternative zu meinem Leben, wie es jetzt ist? Ich weiß es nicht. Aber er ist hier in meinem Haus, und es ist nicht meine Schuld, dass mein Mann nicht hier ist. Es ist nicht meine Schuld, dass ich an mich selbst denken muss – daran, was aus mir wird, wenn Jozef nicht wiederkommt.
    Das letzte Mal haben wir gesprochen, kurz bevor Jozef zur Wand aufgebrochen ist, bei seinem Abschiedsanruf aus dem Basislager. Das ist unser Ritual vor

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