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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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Händeschütteln mit abgewendeten Gesichtern.
    Der Kaffee kommt, und da Karel ihn gemacht hat, ist er trinkbar. Ich mische ein wenig von meinem in Stanes Milch, vorsichtig, damit nichts vom Kaffeesatz mitkommt, und er ist glücklich, auch wenn er bei jedem Schluck aufpassen muss, dass er nicht das Gesicht verzieht. Dann beordert Papa uns mitsamt unseren Tassen auf die hintere Veranda. Die Luft ist weich und mild, da sitzt es sich gut hier draußen. Der Garten allerdings ist verlottert, zumal im Vergleich zu dem nebenan, sichtbar durch eine Reihe von Kiefern anstelle des Zauns. Zwei Kinder spielen in diesem Garten, das größere ein Junge in Stanes Alter. Sie haben einen Sandkasten, ein verschachteltes Holzfort und bunte Spielsachen. Sie sehen uns und grüßen zu Papa herüber, und er winkt sie her.
    Das ist mein Enkelsohn Stane, sagt er zu ihnen. Der, von dem ich euch erzählt habe, ein ganz braver Bub. Ihr könnt spielen, ihr drei. Euer Fort wird Stane gefallen.
    Spricht’s, verschränkt die Arme und entlässt sie mit kurzem Nicken.
    Stane sieht mich an – er hat nicht viele Spielkameraden au ßerhalb der Schule, dazu wohnen wir zu abgelegen, und überhaupt ist er schüchtern bei Fremden. Ich wünschte, er könnte vor Papa ein bisschen entschlossener auftreten. Geh nur, sage ich. Kein Problem.
    Die Nachbarskinder, Gott sei’s gedankt, sind freundlich. Komm, Stane, sagen sie. Komm, wir zeigen’s dir.
    Papa sagt zu mir, als sie in den anderen Garten hinübergelaufen sind: Du behandelst den Buben wie ein Kleinkind.
    Papa, sagt Karel.
    Papa schiebt die Lippen vor.
    Recht hast du, sagt er. Was verstehe ich schon von Kindererziehung? Hm? Zwei Verrückte und ein Lehrer.
    Lehrer, sagt er, nicht Professor, und er sagt es hämisch.
    Papa, sage ich – ich falle Karel ins Wort. Wenn du heute lieber deine Ruhe vor uns haben willst, fahren wir einfach.
    Wieder der Blick, aber diesmal bin ich gewappnet. Ich halte stand, und er, überrascht, wird wieder zum alten Mann. Seine Schultern sacken nach vorn, und er starrt hinaus in seinen Garten, auf die Steinhaufen und die Blumenbeete, in denen seit zwanzig Jahren nichts als Unkraut wächst. Die Kinder spielen auf dem Holzfort. Eine nette, glückliche Familie, scheint es von hier. Und Papa sitzt jeden Tag auf seiner Veranda und sieht ihnen zu, den beiden Kindern, den beiden Eltern, von denen ich schwören könnte, dass sie auch da sind, im Haus. Er hört all das Gelächter.
    Von mir aus, sagt er. Was macht mein Jozef? Lebt er noch?
    Ich erzähle Papa, was es über Jozefs Aufstieg bis jetzt zu sagen gibt. Ich habe den Ordner mit den Photos mitgebracht, und er möchte sie anschauen. Ich stelle mich hinter seinen Stuhl – versuche, seinen zu süßlichen, zu rauchigen Geruch nicht zu riechen, und zeige ihm Jozefs Weg die Wand hinauf, die Stellen, an denen er bivakiert hat, den Grat, über den Jozef, wenn er einen Funken Verstand hat, heute absteigen wird. Papa setzt sich die Lesebrille auf und betrachtet die Photos immer wieder von neuem, die Lippen geschürzt.
    Es ist, als hätte er meine Gedanken gelesen. Er deutet auf das Bild und sagt: Hier ist er jetzt?
    Ja.
    Er wird nicht über den Grat herunterkommen, sagt Papa.
    Vielleicht, sage ich, vielleicht auch nicht -
    Papa nimmt meine Hand und sieht mich durchdringend an. Dann sagt er: Karel, lass uns einen Moment allein.
    Papa, ich glaube wirklich -
    Karel! Tu einmal das, was ich sage. Tu mir diesen einen Gefallen, und dann sterbe ich und lass dich in Frieden, ich versprech’s dir.
    Karels Gesicht verdüstert sich, aber er tritt näher heran, fast als wollte er die Hand des alten Mannes von meiner wegbiegen.
    Lass nur, sage ich.
    Karel sucht meinen Blick und sagt dann: Na gut, meinetwegen. Er geht hinaus in den Garten, bis er auf halber Höhe zwischen uns und den Kindern ist, und inspiziert angelegentlich das Unkraut.
    Setz dich her, sagt Papa zu mir. Setz dich her, und wir reden.
    Ich ziehe einen Stuhl herbei.
    Hör zu, sagt Papa. Du bist eine gute, starke Frau. Das hab ich gleich gesehen. Als Jozef dich mit nach Hause gebracht hat, hab ich gleich gewusst, du bist eine Frau zum Lieben und zum Heiraten. Du bist gut für ihn, so wie meine Sara gut für mich war. Aber wir Männer in der Familie, wir sind für niemand gut.
    Papa -
    Nein! Hör mir zu. Das ist wichtig. Ich bin ein schlechter Vater gewesen, ein schlechter Ehemann. Mein Leben lang bin ich schlecht für alle gewesen. Meine Söhne waren gute Jungen, aber ich habe sie

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