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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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Fingerrücken.
    Ich könnte es hier und jetzt beenden. Die Geste, könnten wir uns sagen, war lieb und tröstlich gemeint, mehr nicht. Aber ich biege den Daumen durch und streiche Karel damit über die Lippen, und Karel küsst ihn.
    Da. Ich habe es getan, zum erstenmal in meiner Ehe. Ich habe mich einem anderen Mann genähert.
    Ich bin nicht böse auf Karel, aber ich ziehe die Hand trotzdem weg, verblüfft über mich selbst. Sie fällt auf die Tischplatte wie ein fremder Gegenstand. Aus Karels zärtlichem wird ein erschrockenes Gesicht. Ich sehe förmlich, wie er innerlich zurückfährt vor dem, was er getan hat. Ich bin keine Studentin, die ihn anschwärmt, kein kichriges betrunkenes Mädchen in einer Bar. Ich bin die Frau seines Bruders.
    Ich kann mich gar nicht genug entschuldigen, sagt er und geht hinaus.
    Ich bleibe eine lange Zeit am Tisch sitzen. Meine Hand liegt flach auf der Tischplatte. Ich kann seine Berührung immer noch spüren, wie Wasser, das auf der Haut verdunstet und ein leises Kribbeln zurücklässt.
     
    Noch lange nachdem ich mich zu Bett gelegt habe, warte ich auf die Geräusche von Karels Aufbruch, warte darauf, das Rumpeln seines Autos auf der Straße verklingen zu hören. Ich kann es ihm nicht vorwerfen, wenn er fährt. Werde ich versuchen, ihn aufzuhalten? Ihm sagen, dass es ein Fehler war? Nur weil wir uns etwas vorstellen, muss es noch längst nicht passieren. Aber noch während ich mir das sage, sehe ich mich im Geist aufstehen und zu Karel ins Zimmer schlüpfen. Ich knie neben seinem Bett nieder und flüstere seinen Namen, und dann sage ich ihm: Heute Nacht brauche ich ein bisschen Geborgenheit.
    Aber auch das ist reines Selbstmitleid. Mit meinem Schwager schlafen könnte zu vielem führen, aber zu keinem Gefühl der Geborgenheit. In meiner Liebe gibt es keine Geborgenheit. Das habe ich immer gewusst, von dem Moment an, als auch ich mir erstmals gesagt habe, dass Jozef ein Künstler ist.
    In den ersten Wochen, nachdem ich ihn kennengelernt hatte, verschwieg Jozef mir, dass er kletterte. Ich konnte sehen, dass er muskulös war, seine gebräunte Haut verriet, dass er sich viel im Freien aufhielt, aber er sagte, dass er auf dem Bau arbeite, als Betongießer – und das erklärte auch seine rauen Hände. Er war sehr gut darin, mir Fragen zu stellen, und weniger gut darin, auf meine Fragen zu antworten, doch das schrieb ich seiner Schüchternheit zu. Ich war es gewohnt, dass die Männer an meinen Kleidern zerrten, sobald wir allein waren (und im Grunde gefiel es mir), aber Jozef hatte mich noch nicht einmal geküsst. Tief drinnen war ich eine Romantikerin, und so baute ich seine Schüchternheit in meinem Kopf immer mehr aus. Ich dichtete ihm alle möglichen Vergangenheiten an, während wir vor unseren Kaffeetassen saßen oder ich im Kinodunkel seine raue Hand hielt.
    Aber bei einem Spaziergang eines Abends, nicht weit von der Universität, erwähnte er plötzlich ganz nebenbei, seine Wohnung sei gleich hier ums Eck. Ich fragte, ob ich sie anschauen dürfe, und seine Augen wurden groß. Sie sei fürchterlich unaufgeräumt, sagte er, und außerdem gebe es darin nichts, was anschauenswert sei.
    Aber ich fühlte mich kühn an diesem Abend – es sei Zeit, sagte ich, dass wir uns zeigten, wo wir wohnten, und hielt seinem Blick stand, nachdem ich es gesagt hatte.
    Jozef führte mich Stiege um Stiege hinauf. Die Lampen brannten trüb, Wände und Boden waren verdreckt. Immer höher ging es, und ich dachte dabei, wie wenig ich doch von ihm wusste, wie heruntergekommen hier alles war, welche Gefahren möglicherweise auf mich lauerten. Ich folgte seiner breiten Silhouette durch den Flackerschein der nackten Glühbirnen auf den Treppenabsätzen, hörte ihn mit seinen Schlüsseln klimpern, und ein Prickeln durchlief mich.
    So war ich damals noch.
    Als er die Tür aufsperrte und Licht machte, begriff ich erst nicht, was ich da sah. Seine Wohnung war eine Mansarde mit schrägen Wänden. Sehr klein. Und sämtliche Wände und die Decke waren mit Sperrholz verkleidet, und dieses Holz war übersät mit kleinen, seltsam geformten Auswüchsen in lauter verschiedenen Farben. Hier und da hingen, an Bügeln angebracht, Riemen, Seilschlingen, rätselhafte Metallgeräte aller Art. In einer Ecke stand eine Trainingsbank, und mitten im Zimmer lag eine Matratze mit einem Haufen schmuddeliger, zerwühlter Laken darauf. Der ganze Raum roch stark nach Holz, und nach Schweiß. Ich hatte noch nie eine Kletterwand gesehen –

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