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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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meine einzige Erklärung war, dass Jozef pervers sein musste, ein Sadist. Mein Magen zog sich zusammen.
    Aber Jozef sagte voll Unmut: So, jetzt kennst du mein Geheimnis.
    Wozu ist das alles?, fragte ich ihn.
    Er sah mich merkwürdig an.
    Ich bin Kletterer, sagte er. Bergsteiger. Mein Bruder und ich klettern im Himalaya. Hier trainiere ich. Er lächelte. Das sind meine Felsen.
    Ich ging in das Zimmer hinein und berührte die Wände, das Sperrholz und die glatten Nylonriemen, die wulstigen Vorsprünge. Manche waren rau und fühlten sich wie Fels an; andere waren so abgewetzt, dass sie wie poliert wirkten.
    Warum hast du mir nichts davon erzählt?, fragte ich.
    Er sah auf seine Füße und sagte: Frauen reagieren manchmal komisch darauf. Ich mag dich, und ich wollte nicht, dass sich zwischen uns etwas ändert. Es war dumm von mir.
    Du hättest es mir sagen sollen.
    Er wurde rot und sagte: Ich weiß. Ich war einfach feige.
    Dass er rot wurde, gefiel mir.
    Ich fragte: Hast du Angst vor mir?
    Er nickte, und dann sah er mir in die Augen.
    Du ziehst mir den Boden unter den Füßen weg, sagte er.
    Jozef, sagte ich zu ihm, wie kann ein Mann, der Berge bezwingt, Angst vor einer Frau haben?
    Sein Gesicht umdüsterte sich. Auf einem Berg weiß ich, was ich tue.
    Ich küsste ihn. Unser Kuss dauerte nicht lang, aber er hätte lang dauern können; in dem Moment, in dem ich zu ihm hintrat, sah ich seinen Blick weich werden, und ich wusste, er würde mich so lange küssen, wie ich ihn ließ; er wollte nicht mehr schüchtern sein. Ich legte ihm die Hände auf die Brust und erschrak fast. Selbst muskulöseste Männer fühlen sich ein klein wenig weich an. Jozef nicht; unter seinem Hemd war warmer Stein.
    Führ mir etwas vor, sagte ich. Zeig mir, wie du kletterst.
    Er errötete. Ich trainiere nicht vor anderen Leuten. Vor meinem Bruder ja, aber nicht -
    Nicht vor einem Mädchen?, sagte ich, noch taumlig von dem Kuss. Tja, das ist die Strafe dafür, dass du es mir verschwiegen hast. Jetzt schuldest du mir etwas.
    Ich bin nicht dafür angezogen, sagte er. Das ist mein gutes Hemd und die gute Hose.
    Er meinte es ganz unschuldig, und ich lachte. Ich ging zu ihm und knöpfte sein Hemd auf und streifte es ihm von den Schultern. Seine Pupillen weiteten sich, aber er hinderte mich nicht. Sein Brustkasten und die Arme waren beinahe zum Fürchten. Sie sind es immer noch. Die einzelnen Muskeln heben sich so deutlich ab, dass er aussehen kann wie ein Mann ohne Haut. Ich berührte seine Schultern, und er erschauerte.
    Er ist etwas ganz Eigenes, dachte ich, und vielleicht war das der Moment, in dem ich mich in ihn verliebte.
    Die Hose kannst du dir selber aufknöpfen, sagte ich.
    Ich zieh mich im Bad um.
    Einige Minuten später, am Leib nichts als eine Spandex-Shorts, kletterte er für mich. Mit zwei, drei raschen Zügen erklomm er eine Wand, und seine Arme hoben ihn in die Höhe, als wöge er nichts, als wären all diese Muskeln bloße Hülsen, mit nichts als Federn gefüllt.
    Jetzt die Decke, sagte ich, als er wieder unten war.
    Er war nicht einmal erhitzt.
    In Ordnung, sagte er. Aber du musst die Matratze unter mir halten.
    Er kletterte von der niedrigsten Stelle der Decke bis zur höchsten, die Kabbelung seines Rückens in etwa gleichauf mit meinem Kinn. Ich schob die Matratze mit dem Fuß hinterher. Und ich konnte den Blick nicht von ihm wenden. Ihn zu beobachten hatte etwas Pornographisches; seine Bewegungen waren eigentümlich intim. Seine Hals- und Gesichtsmuskeln spannten sich. Er stieß leise Grunzer und Ächzer aus. Eine grelle Lampe in der Zimmerecke warf merkwürdige Schatten, und auf seinen Schultern begann Schweiß zu glitzern.
    Und er war gut. Man braucht nichts Näheres über eine Kunst zu wissen, um zu sehen, dass ein Künstler gut ist. Und als ich Jozef zusah, war mir klar, dass sein Talent das meinige um ein Vielfaches übertraf.
    Er trotzte der Schwerkraft, auf meine Bitte – und als er sich vom letzten der Griffe zu Boden fallen ließ, war ich so weit, dass ich auf der Stelle mit ihm geschlafen hätte, dass ich alles getan hätte, was er nur von mir verlangte.
    Seine Seele war auch leicht geworden: Als er sich mir zuwandte, in diesem kurzen Moment, bevor er verlegen wurde und wieder errötete, sah ich Triumph, sah ich Leidenschaft. In einem Muskel an seiner Brust pulsierte das Blut, und ich musste an mich halten, dass ich nicht meine Lippen darauf presste, um dieses Zucken zu spüren, dieses Leben unter meiner Zunge.
    Wir sollten

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