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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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sinnt.
    Nein, das stimmt auch nicht. Vielleicht sollte ich mir einfach die Wahrheit eingestehen: dass ich eine verheiratete Frau von zweiunddreißig bin, die an der Schwelle zu ihrem ersten Seitensprung steht. Die vielleicht Lust hätte, sich in einen anderen Mann zu verlieben. Und dass es keiner Situation gleicht, die ich kenne. Ich werde rot. Eine seltsame Schwerkraft ist zwischen Karel und mir am Werk. Immer wieder stoßen unsere Hüften aneinander, und wir streben hastig voneinander weg.
    Ich versuche an Jozef zu denken, an die Strapazen der Abschlusswand. In ebendiesem Moment muss er Qualen leiden, halb erstickt, ausgedörrt – nur eine Handbreit vom Tod entfernt. Und egal ob er den Gipfel erreicht hat oder sich noch aufwärts kämpft – ja selbst, wenn er schon beim Abstieg ist -, er wird an mich denken, an Stane. Ich ziehe mich mit meinen Händen bis zu dir. Das passiert jetzt, in diesem Moment, fern im Osten, auf der anderen Seite des Erdballs.
    Wir kommen zu einer Öffnung in der Mauer. Dahinter führt der Weg den Berg hinauf.
    Die Worte rutschen heraus, ohne dass ich es will. Ich sage zu Karel: Gehen wir hier durch. Der Weg führt zu einer schönen Wiese hoch. Von da oben siehst du fast das ganze Tal.
    Karel überlegt länger als nötig. In Ordnung, sagt er.
    Ich rufe Stane zurück. Ganz außer Atem kommt er angelaufen. Ich sage ihm, dass wir zur Wiese hochgehen.
    Zu meiner Überraschung fragt er, ob er unten an der Straße bleiben kann.
    Ich habe meine Soldaten dabei, sagt er. Ich will hier spielen.
    Dann kommst du nicht mit uns hoch?
    Er zuckt die Achseln und schaut weg, in die Ferne. Die Geste hat er von seinem Vater übernommen. Ich kann mir nicht vorstellen, was er im Schilde führt – wahrscheinlich gar nichts, wahrscheinlich ist er es nur leid, Erwachsene über Kunst und die Römer reden zu hören. Wenn es nur wir beide wären, würde ich vielleicht darauf bestehen, dass er mitkommt. Aber in mir steigt eine schuldbewusste Freude auf bei dem Gedanken, mit Karel allein zu sein. Stane ist ständig irgendwo im Wald unterwegs, es ist nichts dabei – sage ich mir.
    Wir bleiben nicht lang, sage ich. Lauf nicht zu weit von der Straße weg, ja?
    Ist gut, Mama.
    Bis zu der Wiese sind es nicht mehr als zehn Minuten. Der Pfad zwischen den Bäumen ist schattig und kühl, und aufatmend stelle ich fest, dass meine Sorgen hier, wie noch jedesmal, ein Stück in den Hintergrund treten. Ich liebe die Wälder im Sommer, den dicken Teppich trockener Nadeln unter meinen Sohlen, den sauberen Duft. Hier und da sprießen Felszacken aus dem Erdreich, wie Berge, die noch wachsen müssen, mit Moospolstern bedeckt. Manche davon sind von Magnesiaspuren verunziert, da, wo Jozef an Griffen und Problemen arbeitet. Meistens bin ich dabei und passe auf, dass die Matte richtig unter ihm liegt. Neuerdings geht auch Stane manchmal mit und hilft ihm.
    Karels Gesicht ist nicht mehr ganz so umwölkt; er findet es schön hier, auch wenn er es in seiner Schwermut nicht zugeben mag.
    Und dann haben wir die Wiese erreicht. Sie ist am Hang gelegen, und an ihrem oberen Ende halten wir an und lehnen uns an einen Felsblock und blicken hinab auf unseren Streifen Tal. Der Fluss schlängelt sich glitzernd. Unser Haus ist gerade noch zu sehen, ganz links, die Sonne blitzt von einem Dachfenster. Der höchste Berg auf der anderen Talseite hat in der Mulde gleich unterm Gipfel ein Wolkenband eingefangen – von hier aus wirkt es kaum größer als ein Haus, dabei muss es hundert Meter lang sein. Die Berge machen sich ihr eigenes Wetter, sagt Jozef; manchmal regnet es da oben, wenn das ganze restliche Tal in grelles, trockenes Licht getaucht ist. Erde und Himmel drehen sich gegenläufig, sagt er, und manchmal verhaken sie sich, und dann knirscht es. Kaum denke ich das, da erhebt sich ein Wind, und die Bäume unter uns am Hang rauschen und biegen sich. Dieselbe Luft, in der mein Mann klettert.
    Aber das stimmt nicht. Jozef klettert in achttausend Metern Höhe. Wir hier sind bei zwölfhundert. Ich schaue über die Alpengipfel in ein tiefes, klares Blau. Mein Mann ist ein Verrückter und schon halb im Weltraum.
    Ich lehne mich ein bisschen anders hin, und meine Hand streift die von Karel.
    Schön hier, sage ich. Findest du nicht?
    Hör zu, sagt Karel, so abrupt, dass er danach husten muss. Hör zu, Ani, ich glaube, ich fahre nachher nach Hause.
    Die Vorstellung erfüllt mich mit noch größerer Traurigkeit, als ich gedacht habe. Karel sagt es, und das Tal

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