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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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aufgeben. Es war nicht der erste Albtraum hier in Spanien. Ich mochte das Land immer weniger.
    In dieser Stimmung überraschte mich dann eigentlich gar nicht zu sehr, daß oberhalb der Stadt plötzlich eine Autobahn im Weg stand. Heute gibt es an dieser Stelle eine Fußgängerbrücke. Die aber existierte damals noch nicht. Der Camino endete an der Autobahn, beziehungsweise verlief die Autobahn auf dem Jakobsweg. Und alle Pilger mußten hier durch. Die hohe Böschung auf beiden Seiten ließ nur den Weiterweg auf der Autobahn zu. Rechts aber hätte es keine Möglichkeit gegeben, die Autobahn, die dann im weiten Bogen um die Stadt führte, wieder zu verlassen. Man mußte irgendwie auf die linke Seite gelangen. Auch ich. Obwohl es völlig irre war, eine dichtbefahrene Autobahn zu Fuß zu queren. Wäre mein Glaube größer, hätte ich einfach darüber schlendern können. Hart wie der Kiesel, und immer im Schutz des Herren. Aber ich wollte es nicht an die Spitze treiben. Wegen der Verkehrsdichte schien es mir aussichtslos, die ganze Fahrbahn auf einmal zu passieren. So machte ich es wie die Katzen. Ich packte jeweils einen Fahrstreifen, blieb auf der Trennlinie ruhig stehen, ließ die heulenden Karossen vor und hinter mir sausen, wartete eine neue Lücke ab und packte dann den nächsten Streifen. Und so fort. Keiner der Autofahrer hupte wütend, wie ich es wohl getan hätte, vielleicht war man hier so etwas gewöhnt. Dafür war ich ihnen dankbar, denn es hätte mich womöglich in der Konzentration gestört.
    Natürlich ging der Weg auch auf der anderen Seiten nicht einfach weiter. Zumindest wies nichts darauf hin. Alles, was es zu sehen gab, war eine fette, nagelneue Autobahn, auf der ein Auto nach dem anderen den Berg hinunter raste. Doch war die Stadt im Tal gut sichtbar und eigentlich nicht zu verfehlen. Auf gut Glück erstieg ich einen Hügel auf dem sich ein fast fertiger Hauskomplex befand. Ich wollte den Marsch auf der Fahrbahn möglichst nicht fortsetzen. Nach zwanzig Minuten Plackerei durch die Baustelle stand ich hinter dem Hügel vor einem fünf Meter hohen Zaun. Unüberwindlich wie die Berliner Mauer. Nun wanderte ich an diesem Zaun entlang zurück zur Autobahn, wo ich eine etwa zwanzig Meter hohe Steinwand hinunter auf die Fahrbahn klettern konnte. Ich bin gut im Klettern und beklagte mich nicht. Es konnte nichts Schlimmeres passieren, als daß ich einem Auto aufs Dach knalle. Aber ich kam gut an. Dann ging ich auf dem Fahrstreifen so lange weiter, bis ich eine Möglichkeit fand, dieser Hölle zu entkommen.
    In jeder Hinsicht erschöpft ließ ich mich auf einer niedrigen Mauer vor der Auffahrt zu einem großen Gebäude nieder. Hier wollte ich mich von den erlebten Schrecken erholen. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wußte, und was mich, ehrlich gesagt, auch nicht interessierte, war die Tatsache, daß dies der Eingang zum psychiatrischen Krankenhaus von León war. Es hätte mich interessieren sollen! Denn nach einer Weile schlenderte ein eher unscheinbarer Mensch von da auf mich zu, baute sich vor mir breitbeinig auf und verlangte Zweieuroachtzig für den Bus. Genau Zweieuroachtzig und basta. Jetzt! Ich versuchte ihn zu ignorieren, aber er wurde schnell fordernder und irgendwie bedrohlicher. Was mir überhaupt nicht gefiel, er rückte dabei immer näher an mich heran, während ich von der Mauer nicht abhauen konnte. Die Andeutung eines seitlichen Ausfalls meinerseits blockierte er rasch und gekonnt. Mehrere Menschen gingen vorbei, sahen meine Lage — und gingen weiter. Vor einem Irrenhaus war es wohl keine verkehrte Wahl, half mir aber nicht aus der Patsche. Der Typ klebte wie eine Laus an mir und verlangte schimpfend und spuckend seine Zweieuroachtzig für den Bus, komme was wolle. Es sah nicht gut aus für mich, auch nicht, wenn ich ihm das Geld geben würde. Ganz offensichtlich hatte er seine fünf Zwetschgen nicht beisammen und neigte zur Gewalt. Nun ging mir auf, ich hätte mich nicht unbedingt vor den Eingang zum Irrenhaus hinsetzen müssen, ich hätte es ein Stück weiter bis zum nächsten Park auch noch geschafft. Aber es war natürlich zu spät für reuige Ansichten, vielmehr begann ich mich zu sorgen, ob der Kerl nicht etwa ein Messer bei sich haben könnte. Offensichtlich hatte er kein Beil, auch keine Kettensäge, das konnte man sehen, aber er hätte ein Messer haben können. Aber auch ohne Messer war er immer noch eine Gefahr. Ich habe ihn einfach zu nahe kommen lassen, um mich eventuell noch

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