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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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war’s!
    Wenn es auf den letzten Kilometern dann auch noch bergauf ging, was ich fast schon persönlich nahm, ich erreichte Monte do Gozo zu guter Tageszeit. Drei polnische Riesenbusse standen mit laufenden Motoren auf dem Parkplatz. Sie standen wohl schon eine ganze Weile da, weil sie mich sonst auf der Straße hä t ten überholen müssen. Die Pilger saßen gelangweilt drin und gähnten mich an, die Busfahrer kochten auf dem Gehsteig gemütlich Kaffee und plauderten. O f fenbar stellte man sich auf ein längeres Warten ein. Aggressiv geworden gegen alles, was sich drehte, Lärm und Gestank produzierte, fragte ich nun die Fahrer, warum sie nicht die Motoren abstellen würden. Wegen der laufenden Klimaa n lage, erklärten sie freundlich. Ich schloß daraus, daß Polen ein sehr kaltes Land sein muß, wenn seine Einwohner bei kaum zwanzig Grad im Schatten noch eine Klimaanlage brauchen. Ich überließ sie dem Dieselgestank, der sie nicht störte, und zog weiter. Es sollte hier irgendwo das sagenhafte Compostela zu sehen sein. Laut Führer hieße Monte do Gozo „Berg der Freude“ wegen des Glücksg e fühls, das die Pilger erfüllt, wenn sie nach all den Strapazen endlich das ersehnte Ziel erblickten. Der richtige Platz für diesen ultimativen Blick war wohl ein ri e siges Kreuz neben dem Parkplatz. Doch mein Glücksgefühl hielt sich in Gre n zen. Erstens war ich krank und völlig erschöpft, zweitens stank und dröhnte der polnische Diesel gar zu fürchterlich, und drittens konnte ich in der Ferne nur ein paar undeutliche Umrisse erkennen, die alles mögliche, den Hamburger Hafen mit eingeschlossen, hätten sein können. Nicht zu übersehen war dagegen ein ri e siger Campus für einige tausend Schläfer direkt zu meinen Füßen. Schlafbara c ken vom Feinsten. Angeblich geht der gigantische Bau auf einen Besuch des polnischen Papstes Wojtyla zurück. Das war mir aber ziemlich gleich. Da unten gab es Duschen und Betten in großer Zahl! Wahrhaft ein Grund zum Freuen.
    Also steuerte ich guter Hoffnung wieder an den polnischen Stinkern vorbei die Treppe hinunter zur Rezeption. Dort flog gerade einer, der kein Pilgerbuch hatte, hinaus. Spanische Stränge, gestützt auf zwei martialische Pilgerpolizisten in Schwarz, jeweils mit dicker Schußweste, Maschinenpistole und anderen Utens i lien eines Robocop . Offenbar rechnete man hier mit dem Schlimmsten. Während der Mann aus Osteuropa draußen ein wenig krakeelte, was jedoch die Robocop’s völlig kalt ließ, bekam ich freundlich und rasch ein Bett zugeteilt. Auch ein s ü ßes Bonbon und ein Frauenlächeln. Schließlich waren meine Credenciales ja g e radezu adlig. Den ganzen langen Weg - in einem Stück, mit allen Stempeln, A b nützungsspuren und einem echten Leiden im Gesicht. Das galt hier was. Ich h a be mir das Recht auf ein Bett hart und ehrlich verdient. Es hätte deshalb laut Führer für die eine Nacht gar gratis sein sollen, dennoch gab es nun plötzlich drei Euro zu löhnen. Angeblich für die neu eingeführte Kurtaxe. Versprochen ist versprochen, dachte ich bitter, die drei Euro konnte ich mir allerdings dank der verkauften Aktien noch leisten. Dafür bekam man das übliche Quartiermaß von je ein Stockbett je ein Quadratmeter Zimmergrundfläche. Auf dem Zimmer traf ich Simon, der kurz vor mir ankam, und später in der Dusche dann den gerade hinausbeförderten Ostler, der sich dreist an der Polizei vorbei in die Schlafb a racke schlich und da nun seine dreckigen Stiefel im Waschbecken wusch und sonstige „Hygiene“ machte. Später sah ich ihn noch einmal draußen, wo er keck und rotzig Mädchen anzubaggern versuchte. Ziemlich erfolglos, wie ich nicht ganz ohne Schadenfreude feststellte.
    Nach den üblichen Pflichtaufgaben wie Duschen und Kleiderwaschen, die ich nun seit Monaten jeden Abend machte, und die ich deshalb kaum noch bewußt wahrnahm, brauchte ich etwas Ruhe und Abstand, die es auf dem inzwischen übervollen Zimmer leider nicht gab. Alle, Simon mit eingeschlossen, bereiteten sich psychisch und physisch intensiv auf die morgige Ankunft in Compostela vor und machten dabei wie bei solchen Anlässen üblich jede Menge Streß. Es lag so eine nervöse Stimmung in der Luft. Simon lehnte es sogar ab, daß wir am Morgen zusammen gingen. Nein, den Einzug in die Stadt des Apostels Jakob wolle er ganz bewußt erleben, dazu müsse er allein marschieren. Etwas beleidig wegen der Zurückweisung dachte ich darüber eine Weile nach, fand es jedoch am Ende richtig.

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