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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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dachte, jetzt tot umfallen zu müssen. Ein Pilgerpol i zist in der Ecke machte Anstalten, sich vom Stuhl zu erheben, den Daumen am Sicherungsriemen des Revolvers, da ich nicht gleich kapieren wollte. Ich erspa r te ihm die Mühe, mich zu erschießen. Es war ja sowieso alles egal. Warum sol l te er diese Sünde noch auf sich laden, wenn ich sowieso nicht viel weiter ko m men würde? Ein kurzes Leiden noch. Oder eigentlich gar kein Leiden, da ich jetzt irgendwie wie auf Wölkchen ging. Der Pflaster unter meinen Füßen fühlte sich weich und mollig an. Schmerzen hatte ich keine. Und solange die Wolke, auf der ich ging, mein Gewicht hielt, konnte ich weitergehen. Doch der Herr, der mich nie im Stich ließ, führte mich zu einem schmucken Hotel mit ein paar Sternchen, das im Hinterhof für die Pilger sauberen Schlafraum und hübsche Küche parat hielt. Alles schick und komfortabel und nur für mich allein, weil es hier keine anderen Pilger gab. Erstaunlich, wenn ich an die drei völlig ausg e buchten Herbergen zuvor dachte. Ich duschte und trank einen heißen Tee in der Küche. Es gab sogar ein paar Vorräte im Kühlschrank, aber ich konnte nichts essen, wie ich auch schon den ganzen Tag nichts aß. Ich war mit meinen Kräften am Ende und hatte mich zu beeilen, ins Bett zu klettern. Ich deckte mich mit a l lem zu, was ich fand, um den Schüttelfrost zu mildern, rollte mich zusammen und war eingeschlafen, bevor ich das Vaterunser zu Ende beten konnte.
    In Arzúa steht etwas abseits des Camino ein simples, kleines Holzkreuz, g e schmückt mit frischen Blumen mit der folgenden Aufschrift: Remember In Your Prayers Myra Brennan (52 yrs) nee Holland of Kilkenny and Sligo, Ireland, who died peacefully in her sleep in Santiago de Compostella on 24/06/03 having just completed her 2nd consecutive Camino. “And I shell have some peace there, for peace comes dropping slow” … (W.B. Yeats).
Monte do Gozo , km 2949
    In gleicher krummen Stellung, in der ich einschlief, wachte ich wieder auf. O f fenbar habe ich mich in der Zwischenzeit gar nicht bewegt. Unter dem Haufen Decken war es dunkel und warm. Ich genoß die Wärme. Es hieß, kein Schütte l frost, kein Fieber mehr. Wenn ich mich vorsichtig bewegte, wurde mir auch nicht schwindlig. All das waren gute Zeichen. Der Schlaf mochte mir geholfen haben, wie ich es schon erlebte. Einst in der Jugend auf einer Reise per Anhalter durch den Balkan vergiftete ich mich mit Fisch und wachte erst nach sieben T a gen auf dem Gang eines Krankenhauses auf, wo ich offenbar die ganze Zeit o h ne besondere Behandlung lag. Alles war voll, und man wollte mich gar nicht aufnehmen, bis ich einfach vor der Tür umfiel. Tot war ich also nicht. Hätte es aber auch sein können. Zumindest hätte es mich nicht sehr überrascht. Ich kra b belte vorsichtig unter dem Deckenhaufen ins kalte Freie hinaus. Keiner da. Ke i ne Pilger, kein Personal, niemand. Kein Laut. Die Uhr zeigte zehn Uhr. Aber welcher Tag war es? Ich entzifferte das Datum auf dem Ziffernblatt und stellte fest, achtzehn Stunden geschlafen zu haben. Ob dazwischen noch andere Pilger kamen, lärmten, mit Tüten raschelten, Sachen fallen ließen, schnarchten - ich habe nichts bemerkt. In einem Moment gestern machte ich die Augen zu und in einem anderen heute wieder auf. Und dazwischen lag nichts, wovon ich beric h ten könnte. Geheilt war ich allerdings nicht. In meinem Kopf rauschte es, und ich ging immer noch wie auf Wölkchen. Ich duschte, rasierte mich und bereitete mir in der Küche einen heißen Tee zu. Nur essen konnte ich immer noch nichts. Zu einem Keks mit Käse zwang ich mich, mehr war nicht drin. Die Kekse b e kam ich von einer älteren Deutschen, die den Camino del Norte , die Nordroute an der Biscaya Küste ging. Hier, kurz vor dem Ziel, treffen die beiden Wege aufeinander. „Hart, sehr einsam, kein Mensch weit und breit,“ erzählte sie. Ich beneidete sie, und sie gab mir dafür die Kekse.
    Heute hatte ich noch dreißig Kilometer zu gehen. Ich war sehr spät dran und noch ziemlich schwach auf den Beinen. Doch schaffte ich diese dreißig Kilom e ter, konnte ich wie geplant morgen, am heiligen Sonntag, in der Kathedrale von Santiago das Hochamt feiern. Es schien jetzt wieder alles möglich, wo es mir schon viel besser ging. Besser war vielleicht nicht gut genug, aber ich war wi e der im Rennen. Ich schritt rasch und zügig aus. Die Sonne schien, ich konnte die Natur bewundern. Gleich hinter Arzúa erstreckte sich wieder so ein

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