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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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draußen. Innen schnarchten mehrere Leute entschlossen um die Wette. Am übelsten wüteten zwei noch relativ junge Frauen aus Slowenien. Am Nac h mittag machten sie auf mich noch einen harmlosen Eindruck. Die eine war recht bemerkenswert, da etwa 156 Zentimeter klein, vielleicht nicht eben fett, doch dem Körpermaß nach einem Rugbyball fast gleich. Seitenverhältnis eins zu drei. Es fehlte nur die breite Naht an der Seite, die ein jeder Rugbyball haben muß. Ich hatte einige Mühe, das penetrante Bild der keltischen Venus von Unterw i sternitz aus dem Kopf zu kriegen. Es versuchte sich dort dauerhaft einzunisten, und ich war ja auf dem Tugendpfad der Demut. Diese zarte Person aber prod u zierte ein ausgesprochen rabiates, tief vibrierendes Knurren wie das von einem abgerichteten, auf Böses sinnenden Schäferhund. Ihre Begleiterin, deren Maße weniger extrem waren und mir deshalb nicht im Gedächtnis blieben, sog in ne r vigen Intervallen je einen langen, stöhnenden, herzreißenden Verzweiflung s seufzer ein. Wie eine Ertrunkene, die man ans Ufer zog und nun durch Mund zu Mund Beatmung und dralle Rippenstöße wieder zurück ins Leben holte. Nach ein paar Sekunden Stille folgte dann auch noch ein echt sumpfiges Gluckern und Plätschern a la Dartmoor im Herbstnebel frei nach Sir Arthur Conan Doyle. D a zu sägten zwei, drei Piefkes willig und beharrlich an soliden deutschen Eiche n stämmen. Phantasielose Langweiler, doch boten sie immerhin eine stabile ak u stische Basis für die slowenischen Solistinnen. Die Sequenz schloß dann mit e i nem leisen, doch gut fühlbaren „Puff!“ vom Lager unter mir ab. Wie eine gute alte Dampflok am Ende des Bahnsteigs, der Abfahrt harrend. Niemand von den Besagten ließ sich auch nur im geringsten von der Knallerei draußen an ihrem Tun hindern. Nur ich wurde wach, bin eben ein nervöser, aufsässiger Typ. In b e ster Absicht wollte ich mich nun aus dem Zimmer schleichen, doch brachte ich beim Hinunterklettern von dem Etagenbett das wacklige Gestell fast zum Ei n sturz und trat dem unter mir liegenden Schnarcher auf den Arm. Keinerlei Rea k tion. Die Zahnräder griffen, die Kolben schoben, der Wirbel wirbelte - die Dampflok puffte langsam und präzise weiter. Unnötig leise, da schulbewußt, schlich ich in den Gang und ab da nun etwas freier in Richtung Toilette. Durch die angelehnte Küchentür sah ich auf einem Stuhl den Pilgerpolizisten mit au s gestreckten Armen und dem Oberkörper auf der Tischplatte ruhen. Er schlief - ungerührt von den Schüssen draußen und den etwa hundert aggressiv summe n den Fliegen an der Küchendecke und überall sonst einschließlich seiner selbst - den Schlaf der Gerechten und machte dabei einen beglückten, genügsamen Ei n druck. „Brav, nicht einmal Brot will er im Schlaf haben,“ nannte es einst etwas zweideutig meine Mutter, wenn sie mich als Kind in Anwesenheit vor Bekan n ten nicht zu sehr loben wollte. Die schlanke Maschinenpistole rutschte dem Mann aus der Hand und duckte sich nun vor den griffbereit gekrümmten Fi n gern, die erstarrt über ihr in der Luft hingen. Die respektlosen Fliegen hüpften eifrig hin und her, ganz ohne Gefühl für die Staatsgewalt hier drinnen und die vermeintlichen Terroristen da draußen, eine wagte sich gar in das Loch des mir zugewandten Laufes, als ob so eine israelische Maschinenpistole ein völlig u n bedeutender, toter Gegenstand wäre, auf den die Fliegen scheißen.
    Ich erledigte mein Geschäft und schlich wieder zurück ins Bett, wo ich dank e i ner kostbaren Konzertpause selig einschlief. Bald, draußen wurde ein erster grauer Lichtschleier gerade sichtbar, machten sich dann die slowenischen D a men und noch ein Pilger eifrig ans Packen, Tütenrascheln, scharfes Flüstern und Hin- und Hergehen. Was wiederum zu einem heftigen Wirrwarr führte, denn der Bettendurchgang war nicht breit genug, um kurz & harmlos einander zu passi e ren, und die Agierenden konnten beim besten Willen nicht umhin, die noch Schlafenden anzurempeln und ihnen diverse Körperteile ins Gesicht zu strecken. Zumal, wenn man die Körpermaße einer Venus von Unterwisternitz eigen nennt. Auch ich wurde da wach und fragte mich verzweifelt, was diese Fanatiker denn um solch unchristliche Zeit denn nach Santiago zöge, und was sie dort zu tun gedächten. Bis in die Stadt waren es gerade noch fünf Kilometer bergab zu g e hen, und es war jetzt gerade fünf Uhr. Nicht, daß es wirklich wichtig wäre. Es gibt ja viele ungelöste Fragen

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