Bis ans Ende der Welt - Oskar und Mathilda ; 2
rücklings ins Gras fallen. Die langen Halme bogen sich zur Seite und lagen nun wie ein Strahlenkranz um Mathilda herum.
»Du siehst aus wie eine Sonne«, sagte Oskar. Er lächelte verschmitzt und setzte sich neben sie.
»Ich wünschte, ich wäre eine«, seufzte Mathilda. »Dann hätte ich vielleicht die Macht, meine Eltern dazu zu bewegen, mit uns in die Schweiz zu fahren.«
»Jetzt hör endlich auf damit«, sagte Oskar. »Das tun sie sowieso nicht. Selbst wenn du die Sonne
und
der Mond wärst.« Er rupfte ein paar blühende Gräser ab und warf sie Mathilda ins Gesicht.
»He, lass das!« Mathilda schnellte hoch und stürzte sich auf Oskar. Sie packte ihn an den Schultern, drückte ihn zu Boden und setzte sich auf seinen Bauch.
Oskar lachte und strampelte. Mathilda hielt seine Hände fest und sah ihn ernst, ja beinahe zornig an.
»Du bist vielleicht ein Blödmann, Oskar Habermick«, knurrte sie.
»Wieso?«, gluckste er. »Weil ich dir Gras ins Gesicht geschmissen habe?«
»Nee, weil ich dich mag, verdammt noch mal!«, brüllte Mathilda ihn an. Dann sprang sie auf die Füße und drehte ihm den Rücken zu. »Ich mag dich so sehr, dass Ameisen durch meinen Bauch sausen. Ich kann nicht einen einzigen Tag ohne dich sein. Ist dir das eigentlich klar?«
Oskar lag im Gras und starrte sie an. Sein Atem stand still, sein Herz klopfte wie wild und in seinem Kopf flog alles durcheinander.
Mathilda zählte bis dreißig, dann wirbelte sie herum und zischte: »Ob dir das klar ist, will ich wissen!«
Oskar wollte den Kopf schütteln, aber sein Hals war so steif wie ein Spazierstock.
»Warum sagst du denn nichts?«, schrie Mathilda. »Ist es dir etwa egal, wenn meine Eltern mich die Hälfte der Ferien in irgend so ein blödes Ferienparadies für eingebildete Tussen schicken, wo man Hausschuhe anziehen muss, nicht Pups sagen darf und noch vor dem Frühstück mit Schlammyral de Marsej eingeschmiert wird?«
»Nee«, krächzte Oskar.
»Was?«, zeterte Mathilda. »Kannst du nicht ein bisschen deutlicher sprechen? Ich verstehe dich nämlich nicht!«
Oskar schloss die Augen und versuchte, wieder einigermaßen normal zu atmen.
»Nee, ist es nicht!«, presste er mühsam hervor.
»Und warum nicht?«
»Weil … weil ich weiß, dass du dich da nicht wohlfühlen würdest.«
»Und warum
noch
nicht?«, fuhr Mathilda ihn an.
»Äh …?« Oskar hob den Kopf und sah sich Hilfe suchend um. Er fand es nicht fair, dass Mathilda dieses Quiz mit ihm veranstaltete. Ausgerechnet jetzt, wo sie ihm gerade erst gesagt hatte, wie sehr sie ihn mochte.
»Kann es vielleicht sein, dass du mich vermissen würdest?«, polterte es nun aus ihr heraus.
»Äh …«
»Ja oder nein?«
»Ja«, sagte Oskar. »Logisch.«
»Heißt das, du magst mich auch?«
Oskar nickte zaghaft.
»Na, dann ist es ja gut!«, blökte Mathilda ihn an.
Oskar brauchte eine Weile, bis er sich von Mathildas ungewöhnlicher Liebeserklärung erholt hatte, und auch Mathilda stand noch eine ganze Zeit lang die Verlegenheit rosarot ins Gesicht geschrieben. Sie konnten weder beieinanderstehen noch -sitzen, wussten allerdings auch nicht, was sie sonst machen sollten.
Schließlich fand Oskar den Rettungsanker. »Julius hat das Mofa gebracht«, sagte er.
Mathilda stieß ein leises Grunzen aus. »Gut«, sagte sie. »Wo steht es?«
Oskar deutete aufs Wohnhaus. »Gleich neben Opa Heinrichens Eingangstür.«
»Gut«, sagte Mathilda noch einmal. Dann rannte sie los. Und zwar wieder so schnell, dass Oskar kaum hinterherkam.
Als er um die Ecke bog, stand sie bereits keuchend neben dem Mofa, hielt den Lenker umklammert und trat auf den Kickstarter ein.
»Was hast du denn vor?«, fragte Oskar.
»Das sagt sie dir nicht«, antwortete Opa Heinrichen an ihrer Stelle. Er lehnte im Türrahmen und trug wieder das Rolling-Stones-T-Shirt, das nach wie vor nicht besonders gewaschen aussah. »Du kennst sie doch. Mir hat sie es auch nicht verraten«, fügte er grummelnd hinzu.
Im nächsten Moment knatterte der Motor los. Mathilda schwang sich auf den Sattel, brauste über den holprigen Gartenweg und verschwand hinter dem Haus.
»Wenn das mal gut geht«, sagte Opa Heinrichen und schlappte ihr auf seinen Lederschlappen hinterher.
Oskar folgte fluchend. Dieses sinnlose Hin- und Hergerenne ging ihm ganz schön auf den Zwirn. Und alles bloß, weil Mathilda nie mit der Sprache herauskam!
Jetzt knatterte sie mit Volldampf durchs hohe Gras, umrundete dreimal das Gartenhaus und kam schließlich einen
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