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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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blinzelte, kamen mit den stechenden Kopfschmerzen auch die jüngsten Geschehnisse wieder in ihr Gedächtnis zurück. Der Rückweg zu Charlie. Sein entsetzlich zugerichteter Leichnam. Wie sie regelrecht ausrastete. Wie sie von einer rasenden Wut, die sie nie zuvor gekannt hatte, ergriffen wurde. Wie ein Berserker stach sie mit dem Gewehr um sich, rannte, der Blutspur folgend, mitten in das Dickicht hinein. Blindlings schoss sie in die Luft und auf alles, was sie sah: Bäume, Gebüsch, Felsen. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, wie Wanipe sie von hinten fasste, wie ihr Kopf gegen einen Felsen schlug, und daraufhin wurde alles dunkel und ruhig.
    Auf dem Rücken liegend blickte sie nun auf das Strohdach einer Baracke. Neben ihr saß Wanipe wie ein Wächter.
    »Wach«, murmelte er, »wach.« Der Welpe sprang auf ihre Brust und schnüffelte an ihrem Hals. Wanipe hob Pearls Kopf ein wenig mit der Hand und führte eine Feldflasche an ihre Lippen. Durstig trank sie das Wasser.
    »Tja, das war wirklich dumm von dir, Willis.« Rudolph, ihr Vorgesetzter, lehnte sich über sie. Seit sie Nadzab verlassen hatten, hatte sie ihn nicht mehr gesehen.
    Sie stöhnte auf. »Die Japaner haben Styles ermordet. Sie haben ihn aufgegessen! Aufgegessen!«
    Rudolph kaute auf seiner Unterlippe und sagte nichts dazu.
    Die Sonne schien ihr jetzt direkt ins Gesicht, und sie musste auch das unversehrte Auge schließen. In ihrem Kopf pochte es unablässig. Sie stöhnte nochmals auf und versuchte die Erinnerung an Charlies ausgeweideten Körper zu verdrängen. Hätten sie ihn doch nur nicht an jenem Morgen allein zurückgelassen. Hätten Wanipe und sie ihn doch nur bis zum Lazarett getragen.
    »Was würde denn geschehen, wenn wir alle nur so unbeherrscht handeln?«, fuhr Rudolph fort. »Wenn jeder nur das täte, was ihm gerade einfällt? Bei der Armee herrscht strikte Disziplin. Kein Soldat kann einfach tun, was ihm gerade so einfällt. Wo kämen wir da hin? Der Unterschied zwischen einem Soldaten und einem Musiker ist gar nicht so groß. Um etwas zu erreichen, müssen sich beide genau an Regeln halten. Denken Sie gefälligst an das, was Ihnen in Ihrer Ausbildung beigebracht wurde, Soldat.« Er hielt inne, da er offenbar eine Antwort erwartete.
    Sie hielt die Augen geschlossen und wünschte sich sehnlichst, dass alles vorbei wäre.
    »Ich weiß, dass Sie mich hören können.«
    Sie zwang sich, die Augenlider zu öffnen. Ihre Augen schwammen in Tränen. Durch die Tür schien pralles Sonnenlicht herein und warf Rudolphs Schatten quer über ihre Bettstatt.
    »Die gute Nachricht lautet, dass Sie allem Anschein nach nur eine Gehirnerschütterung haben.«
    »Und was ist die schlechte Nachricht?«, sagte sie mit erstickter Stimme.
    »Der Zustand von Farthing und Marks hat sich deutlich verschlechtert. Sie befinden sich bereits auf einem Lazarettschiff auf dem Weg nach Sydney.«
    Sie leckte sich über die trockenen Lippen. »Aber immerhin leben sie noch …«
    »Gerade noch so. Ich bin mit der Maschine, die Nachschub gebracht hat, hierhergeflogen. Meinen Sie, dass Sie es z usammen mit dem Eingeborenen nach Mount Hagen allei ne schaffen und dort auch so was spielen können?«
    Der Marschbefehl nach Mount Hagen. Daran hatte sie zuletzt nicht mehr gedacht. Nachdem Charlie tot war, konnte sie sich nicht vorstellen, militärische Aufträge auszuführen. Sie hatte nämlich keine Gefechtsausbildung und konnte auch nicht mit einem Gewehr umgehen.
    »Wir müssen unbedingt herausfinden, was mit dieser Einheit geschehen ist«, sagte Rudolph. »Wir haben seit Tagen keinen Funkkontakt mehr.«
    Sie versuchte etwas einzuwenden, aber Rudolph wollte nichts davon hören. »Natürlich können Sie sich heute noch ausruhen. Es sind noch ein paar Amerikaner dort oben, und die konnten bisher den Flugplatz von Mount Hagen halten. Zu ihnen haben wir Funkkontakt. Aber sie hatten hohe Verluste und können den Ort aus eigener Kraft nicht mehr verlassen. Wenn Sie die andere Einheit finden, müssen Sie sie nur zu dem Flugplatz zurückführen und das an das Camp hier melden.«
    Pearl wälzte sich ein wenig auf der Bettstatt hin und her und überlegte, wie sie einen Ausweg aus diesem Dilemma finden konnte.
    »Mir wurde berichtet, dass es sich um einen australischen Trupp handelt«, fuhr Rudolph fort. »Einem Gerücht zufolge werden sie von einem hitzköpfigen schwarzen Typen angeführt!«
    Pearl richtete sich ein wenig auf und stützte sich auf einen Ellbogen. »Ein Schwarzer und ein

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