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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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sich einen völlig unpassenden, geschmacklosen Scherz.
    Doch als Clara nun einen Tee für ihren Sohn zubereitete, sagte sie zu Pearl, es würde sie nicht überraschen, wenn er sich tatsächlich zum Kriegsdienst verpflichtet hätte. »In letzter Zeit war er kaum noch zu ertragen.«
    Pearl war so sehr mit sich selbst, mit James und mit ihrem Saxofon beschäftigt, dass sie kaum etwas von dem mitbekommen hatte, was ihre Mutter als »Martins Monsterlaunen« bezeichnete. Er sei ständig gereizt, habe kaum noch etwas gegessen und könne nicht schlafen. Während ihr Zwillingsbruder noch im Wohnzimmer umhertorkelte, erkannte Pearl, wie sehr er an Gewicht verloren hatte.
    Sie saß auf der Seitenlehne der Couch und betrachtete seine verunglückte Bürstenfrisur. Trauerte er nach wie vor Roma hinterher? Hatte er sie dermaßen geliebt – so wie sie in James verliebt war? Sie wurde von Schuldgefühlen überwältigt, da sie nicht bemerkt hatte, wie es um Martin stand, gefolgt von einem Moment der Beklommenheit, als ihr wieder einfiel, was James ihr einmal versucht hatte klarzumachen: dass er für Roma und ihn keine gemeinsame Zukunft sah.
    Am nächsten Tag saßen sie beide in Martins Schlafzimmer, nuckelten an einem Bier, und er erklärte ihr alles. Er litt noch immer an den Nachwirkungen seiner Trunkenheit vom Tag zuvor. Doch die Aussicht, freiwillig Militärdienst zu leisten, fand er ganz aufregend.
    Sein Elend hatte begonnen, als er zwangsweise zum Arbeitseinsatz verpflichtet worden war. Man hatte ihn in die Refern-Fabrik geschickt, die Büchsenfleisch für die amerikanischen und australischen Truppen herstellte. In dem riesigen Metallschuppen, wo er arbeiten musste, stank es immer nach Blut und Innereien, für ihn ein Geruch des Grauens. Wie die meisten anderen Musiker aus dem Trocadero, die ebenfalls zwangsverpflichtet worden waren, musste er gleich nach der letzten Vorstellung zurück nach Hause, noch bevor der Auftritt der Damenkapelle zu Ende war, damit er wenigstens noch fünf Stunden schlafen konnte, bevor er im Morgengrauen in die Fabrik gehen musste. Er konnte nicht mehr ausschlafen, es gab keine Jamsessions im Booker T. Washington Club mehr, nur noch Tröge voller Rinderteile, die endlosen Schlangen von Blechdosen und das Geratter der Abfüllmaschinen. Beinahe jeden Tag wünschte er, die Japaner würden eine Invasion starten; alles wäre besser als dieses Martyrium.
    Pearl legte den Kopf schief und sah ihn an. »Dann hat dieser plötzliche Entschluss für den Militärdienst gar nichts mit Roma zu tun?«
    Martin reagierte verärgert. »Mit Roma hat er gar nichts zu tun, sondern mit Merv Sent, Dummchen.«
    Merv aus dem Booker T. Washington Club hatte ihm aus der Patsche geholfen. Denn er hatte ihm einen Ausweg eröffnet, wie er sich sowohl dem Kriegseinsatz entziehen als auch der Zwangsverpflichtung in der Fabrik entkommen konnte. Am 10. August sollte Martin seinen Dienst in Merv Sents Musikkorps innerhalb der 41. Division antreten und anschließend zu einer landesweiten Tournee durch die australischen Garnisonen aufbrechen. Martin hatte die medizinische Taugl ichkeitsprüfung bereits hinter sich und musste nur noch eine sechswöchige Grundausbildung in einem Camp im Bundesstaat Victoria absolvieren, bevor er dem Musikkorps zugeteilt wurde.
    Martin meinte, dass sich das Ganze im Wesentlichen nicht allzu sehr von zivilen Konzerttourneen unterschied. »Der einzige Unterschied besteht darin«, frohlockte er, »dass Kost und Logis selbstverständlich frei sind und dass ich alle vierzehn Tage pünktlich meinen Sold ausbezahlt bekomme. Endlich keine kleinlichen Streitereien mit irgendwelchen Nachtclubmanagern mehr.« Er klingt ja beinahe ganz glücklich, dachte Pearl. Doch sie selbst war darüber alles andere als glücklich. Seit ihrer Kindheit waren die beiden unzertrennlich gewesen – gemeinsam waren sie in die Schule gegangen, sie hatten die gleichen Krankheiten durchgestanden und Musikbands gegründet. Sie hatten alles geteilt, die Betten, die Kleidung, die Schuhe, ihre Instrumente, und als Kinder hatten sie sogar tageweise ihre Identität vertauscht. So war Martin ein Teil von ihr und sie von ihm.
    Während Pearl seinen geschorenen Kopf betrachtete, wurde ihr geradezu schmerzhaft bewusst, wie sehr sie ihn vermissen würde. Bereits jetzt hatte sie das Gefühl, dass er sich von ihr entfernte und für sie unerreichbar sein würde.

7
    An dem Morgen von Martins Abreise wachte Pearl schon vor dem Morgengrauen auf; ihr war

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