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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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als sehr aufmerksamer Begleiter, der sich alle Mühe gab, Pearl Vergnügen zu bereiten. Manchmal wirkte er eher wie ein Onkel, der an seiner Nichte besonderen Gefallen fand, als wie der typische Galan einer jungen Dame. Auch die Zeiten, in denen er als junger Sportsmann an Landesmeisterschaften im Speerwerfen und Diskuswerfen teilgenommen hatte, waren natürlich längst vorbei. Er war noch immer groß und schlank, aber mit den Jahren war er etwas steifer geworden, und seine einzige sportliche Betätigung war der tägliche Spaziergang von seiner Wohnung in Millers Point zu seinem Büro, wo er der Anstaltsverwaltung vorstand, und von dort zum Reception House. Er trug teure Maßanzüge und gestärkte Hemden mit hohen, etwas altmodischen Kragen und ziemlich farblosen Krawatten. Seine Gesichtshaut war so blass, dass er oft so wirkte, als wäre er selbst gerade erst von einer schweren Krankheit genesen. Das Anziehendste an ihm waren seine großen, sanften Augen mit ihrer honigfarbenen Iris. Er war sechsunddreißig Jahre alt und noch nie verheiratet gewesen.
    Aubrey tat nichts, um diese Beziehung zu fördern. Er war der Ansicht, dass Hector Pearls Schwäche ausnützte, besonders da sie nach wie vor nicht ganz wiederhergestellt war. Clara hingegen war von der Tatsache, dass sich ein Akademiker – und noch dazu ein Arzt – um ihre Tochter bemühte, sehr angetan, selbst wenn er beinahe doppelt so alt war wie sie. Der Anstaltsleiter war ihr sehr willkommen, nachdem sonst eher Musiker und anderweitige Künstlertypen das Haus bevölkerten. Clara erklärte ihrer Tochter, dass dies ein Mann mit einem guten und sicheren Einkommen war, und seine Zuvorkommenheit, mit der er Pearl die Treppen hinunterbegleitete und ihr seinen Mantel über die Schultern legte, wenn ihr kalt war, beeindruckte sie sehr; dies war ein Mann, der sich um das Mädchen kümmern und es immer gut behandeln würde.
    Hectors Gesellschaft war für Pearl eine willkommene Abwechslung angesichts der stumpfsinnigen Arbeit in der Hemdenfabrik. Jeden Samstag brachte er einen Blumenstrauß aus seinem kleinen Gewächshaus mit, das er sich hinter seinem Wohnhaus hatte errichten lassen – Lilien oder taufrische Veilchen. Sie gingen oft im Hyde Park von Sydney spazieren, wobei er gerne auf die verschiedenen Arten von Blumen und Pflanzen hinwies, ihre landläufigen Namen und anschließend die botanische Bezeichnung auf Latein nannte. Bisweilen gingen sie auch bis zum Circular Quay hinunter und nahmen die Fähre zum Strand von Manly, wo sie das Strandleben an den Abschnitten genossen, die nicht durch Zäune oder Stacheldraht abgetrennt waren. Wenn Pearl den Wunsch äußerte, einen bestimmten Film zu sehen, gingen sie fast umgehend ins Kino. Wenn sie Appetit auf heiße Würstchen hatte, fand der Anstaltsleiter sogleich ein Restaurant oder ein Café, wo man welche bestellen konnte.
    Hector war mit allen Schwächen von Pearl vertraut, doch er schien sich nicht daran zu stören. Im Gegenteil, er nahm sie fast wie eine Herausforderung und kümmerte sich noch mehr, als ob ihre kleinen Launen und Schwächen besonders liebenswert seien. Ab und zu tauschten die beiden einen keuschen Kuss, doch auch dabei hielt sich der Mediziner zurück und machte keinerlei Versuche weiterzugehen.
    Um ihm eine Freude zu machen, presste und trocknete sie die Blumen, die er gepflückt hatte, zog sie auf weißen Karton auf und rahmte sie hinter Glas ein. Sie freute sich, wie er strahlte, wenn sie ihm derartige Geschenke machte. Auch wenn sein Name Hector Best lautete, nannte Pearl ihn lieber einfach nur »Doktor« oder, wenn ihr besonders neckisch zumute war, »Nervenmeister«, was er stets mit einem verlegenen Lächeln quittierte. Seine Hände waren weich und warm, sodass sie sich ganz entspannt und sicher fühlte, wenn er ihr über das Gesicht oder mit den Fingern durch die Haare strich; es beruhigte sie mehr als alles Chininsulfat oder jede Hydrotherapie.
    Eines Tages Anfang August saßen sie zu dritt im Wohnzimmer, als Clara unvermittelt sagte, das Telefon würde läuten, und rasch den Raum verließ. Bevor Pearl noch eine Bemerkung machen konnte, sie habe gar nichts gehört, hatte sich der Doktor vor ihr auf ein Knie niedergelassen und zauberte mit der Geschicklichkeit eines Taschenspielers einen mit Rubinen besetzten Ring hervor. Pearl hatte schon länger geahnt, dass es eines Tages so weit kommen würde, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass es so bald nach ihrer Krankheit geschehen würde.

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