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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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eines von seinen alten Vaudeville-Liedern mit hoher Falsettstimme vortrug, sich auf der Ukulele begleitete, Grimassen schnitt und dabei seinen Hintern hin und her schwang. Und als sie nun den Mund öffnete, imitierte sie ihrerseits das perlende Trällern, das lustig klingende Vibrato ihres Vaters, wenn er einen Schmachtfetzen wie Fanlight Fanny, the Frowsy Nightclub Queen zum Besten gab. Nach und nach erschienen immer mehr Soldaten am Eingang des Zeltes. Sie traten herein, um besser zuschauen und zuhören zu können. Bei der letzten Note spreizte Pearl die Beine, warf die Hände über den Kopf und hielt den Ton, solange sie konnte. Danach klatschten und pfiffen alle im Zelt und warfen ihr Betelnüsse vor die Füße.

16
    Jetzt mussten Kostüme angefertigt, Sketche einstudiert und Lieder neu arrangiert und geprobt werden. Pearl machte all diese zusätzliche Arbeit nichts aus, wusste sie doch, dass es nur noch zwei oder drei Tage dauern würde, bis sie James wieder begegnete. Sie machten Kleider aus Fallschirmseide, Perücken aus Mullbinden und färbten sie mit Jod und verschiedenen Chemikalien aus dem Lazarett. Pearl schwatzte dem Nachschublager einen Ballen Leinwand ab, auf den sie die berühmte Hafenbrücke von Sydney sowie eine weite Meeresbucht malte. Die beiden Enden dieser Stoffbahn befestigte sie jeweils an einer Holzstange, die man in den Boden stecken konnte, um diese Kulisse aufspannen zu können. Farthing verfügte bereits über eine mobile Orgel. Marks, der Schlagzeuger, beschränkte seine Ausrüstung auf eine Trommel, Crashbecken, Cowbell und Holzblock. Rudolph ernannte Pearl zum musikalischen Leiter, und sie setzte sich hin und schrieb neue Arrangements für diese fünfköpfige Band. Inspiriert von den europäischen Dichtern des Mittelalters, die durch das Land reisten und ihren Herzensdamen ihre Gedichte vorsangen, nannten sie sich Minnesänger. Charlie monierte, dass es keine langsamen Stücke im Repertoire gab, doch Pearl erwiderte, dass das die Soldaten nur langweilen würde.
    »Es gibt nur eines, was schlimmer ist als ein balladenartiger Song«, sagte sie, »nämlich ein Medley aus Balladen.«
    Die Minnesänger marschierten an einem Sonntagmorgen los.
    Wanipe und Dogare, die beiden eingeborenen Führer, schulterten die schweren Instrumente und die Requisiten: die mobile Orgel, die Leinwand und das Schlagzeug. Alle Übrigen trugen die Kostüme, Bodenplanen und Decken, Moskitonetze, Medikamente zur Malariaprophylaxe und die Essensrationen. Jeder hatte eine Feldflasche am Gürtel befestigt und in einer Hand ein Gewehr.
    Der Weg führte zunächst zu den Ausläufern des Gebirges, von dem Lae ringsum umgeben war, doch sie nahmen nicht die Straße, die direkt nach Nadzab führte, weil man hier leicht in einen Hinterhalt geraten konnte, sondern sie folgten einem Flusslauf. Pearl hatte sich am Tag zuvor die Haare schneiden lassen, und sie waren nun so kurz rasiert, dass sie fast kahl war. Es gefiel ihr, dass sie dadurch noch männlicher wirkte, aber sie musste ihren Hut tief ins Gesicht und beinahe über die Ohren ziehen, damit sie auf dem Kopf keinen Sonnenbrand bekam.
    Das Wasser des Flusses war dunkeltürkis, am Grund gab es immer wieder Flecken, wo sich in der Strömung rötlicher Schlick angesammelt oder an anderen Stellen kleine weiße Sandbänke gebildet hatten. Im Laufe des Tages ragten die Bäume immer höher, und die Vegetation wurde immer undurchdringlicher, ein Dickicht aus Lianen und Blättern. Manchmal mäanderte der Fluss so stark, dass sie ihn mit hocherhobenen Instrumenten und Gewehren durchwaten mussten, um auf einigermaßen direktem Weg voranzukommen.
    Am Spätnachmittag erreichte die Kolonne ein kleines Basiscamp, das aus einem halben Dutzend schlaff durchhängender Zelte am Flussufer bestand. Über die ganze Lichtung verstreut sah man abgemagerte Männer mit nacktem Oberkörper auf Benzinkanistern oder Holzstrünken sitzen. Einige beschäftigten sich damit, ihre Gewehre zu reinigen, andere rauchten. Zwei Soldaten schichteten neben einem Zelt einen Holzstapel auf. An den Bäumen in der näheren Umgebung waren gewaschene Hemden wie Girlanden zum Trocknen aufgehängt, und zwischen vielen Ästen baumelten primitive Hängematten. Fast der ganze Boden war mit Flechten bedeckt, und überall roch es nach Moder. Am Stamm einer Sagopalme war ein großer Bottich mit einem Waschbrett befestigt.
    Das erste Konzert der Minnesänger wurde ein kompletter Reinfall. Die Holzstäbe, welche die Kulisse

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