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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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lachte laut auf, und sie war erleichtert, dass sie von den beiden völlig akzeptiert worden war.
    Sie waren nun seit mehreren Tagen unterwegs, als Farthing und Marks den Verdacht äußerten, dass Charlie und Blue, wie sie es scherzhaft ausdrückten, ihre Ärsche aneinanderrieben. Man konnte immer wieder kleine verräterische Anzeichen beobachten: wie einer dem anderen die Hand auf die Schulter legte oder den Hut festzurrte, wie sie Blicke miteinander wechselten. Letzte Zweifel an der Art dieser Beziehung wurden beseitigt, als Farthing eines Nachts aus Versehen in das falsche Zelt stolperte und im fahlen Mondlicht Charlies Kopf über Blues Schoß gebeugt sah.
    Während des Weitermarsches Richtung Norden wurde über die Beziehung zwischen Charlie und Blue natürlich immer wieder gewitzelt. Etwa wenn Charlie fragte: »Was gibt es denn heute zum Mittagessen?«, antwortete Marks beispielsweise prompt: »Warum fragst du nicht deine bessere Hälfte?« Da Blue jeden Abend seine Posaune sehr sorgfältig reinigte und polierte, zogen sie ihn damit auf, das sei wohl seine Hausarbeit. Pearl war sehr froh darüber, mit welcher Lockerheit Farthing und Marks das Männerpaar akzeptierten. Trotzdem war sie stets auf der Hut, nicht selbst ertappt zu werden, besonders wenn sie sich als Frau verkleidete und für die vereinsamten Soldaten Liebeslieder sang.
    Sie waren nur noch wenige Stunden von Nadzab entfernt, als die Minnesänger eine amerikanische Einheit erreichten, die erst am Tag zuvor einen kleinen Flugplatz erobert hatte. Die Japaner waren in die umliegenden Hügel abgedrängt worden. Doch mitten in der Vorstellung, während der Kostümwechsel und beim Auftragen der Schminke, kam es zweimal in einiger Entfernung zu Schusswechseln. Man konnte deutlich hören, wie die Querschläger an Palmenstämmen und Felsen abprallten. Blue wurde bleich und begann zu zittern, sodass Charlie ihn mit Brandy, den er sich von einem amerikanischen Kanonier besorgt hatte, wieder aufrichten musste.
    Es war ungefähr eine Stunde vor Einbruch der Dämmerung. Sie hatten ihre Instrumente und Requisiten zwischen zwei L-förmigen Schützengräben aufgebaut. Als Zuschauer saßen ungefähr vierzig Soldaten vor ihnen, einige trugen Verbände. Drei lagen auf Krankenbahren mit Sandsäcken im Nacken als Kopfstütze. Einige Wachen patrouillierten über die grasbewachsene Lichtung, die als Landeplatz diente – jenes Stückchen Land, um das am Tag zuvor so erbittert gerungen worden war.
    Die Band spielte die Ouvertüre, eine schnelle Version von In the Mood . Sie waren beim dritten Refrain angelangt, als Pearl sah, wie zwei Soldaten einen Verwundeten aus dem Dickicht am Rande der Lichtung herausbrachten. Während er an der Band vorbei in ein nahe gelegenes Zelt getragen wurde, bemerkte Pearl, dass Hemd und Hose mit getrocknetem Blut bespritzt waren; Kopf, Arme und Beine baumelten lose herunter.
    Die Vorstellung ging weiter, und die Soldaten lachten und applaudierten. Charlie steckte in einem Kittel, der aus Verbandsmull zusammengenäht war, und sang Chattanooga Choo Choo . Alle Mann im Publikum stimmten mit ein, summten den Text mit und wiegten sich von einer Seite zur anderen. Gleichzeitig lieferte stoßweises Gewehrfeuer von den umliegenden Hügeln ein beunruhigendes Hintergrundgeräusch. Marks balancierte ein Gewehr auf dem Kopf, dann ein Bajonett, danach noch eine Krankentrage mit Bambusstangen. Hinterher drehte er eine große Drahtspule auf die Seite, sodass die obere Scheibe eine runde Plattform bildete, auf der er eine Stepptanznummer aufführte. Blue führte sein Posaunenspiel mit den Füßen vor, aber das immer wieder aufflackernde Stoßfeuer machte ihn so nervös, dass seine Zehen immer wieder den Halt am Quersteg verloren, weshalb er die Einlage bald abbrechen musste. Anschließend legte er die Posaune auf ihrem Instrumentenkoffer ab und ging um die Schützengräben herum zum nächsten Gebüsch, denn in dieser Stellung waren keine Latrinen eingerichtet worden. Während Blue sich erleichterte, wurde Pearl von Wanipe und Dogare auf einer Bahre aus dem Umkleidezelt herausgetragen. Sie lag in ihrem roten Kleid mit blonder Perücke und langen Handschuhen, den Kopf auf einem Ellbogen aufgestützt, da und sang We’ll Meet Again . Die Zuschauer johlten und riefen: »Bei dir oder bei mir?«
    Wanipe und Dogare waren ganz offensichtlich mit Begeisterung bei der Sache. Sie durften zum ersten Mal bei der Show mit auftreten und hatten sich mit Hilfe von Pearls

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