Bis ans Ende des Horizonts
nicht auf dem direkten Weg nach Nadzab, sondern folgten einem Zickzackkurs durch den Urwald von einem Posten zum anderen. Die Pfade schlängelten sich wie lange braune Schlangen zwischen Sagopalmen und wildwachsenden Zuckerrohrhainen. An manchen Stellen war der Fluss über die Ufer getreten, und es blieb nichts anderes übrig, als bis zur Hüfte im Wasser über schlammigen Grund zu waten, bisweilen auch durch ein Gewirr von Schlingpflanzen und Seerosen. Manchmal peitschten Schlangen durch das Wasser. Blue hatte davor besonders große Angst, und sobald er eine gesichtet hatte, platschte er in Panik auf Wanipe und Dogare zu, damit sie ihn beschützten. Doch die größte Furcht hatten alle vor den Japanern, die sich auch in dem Gebiet versteckten, das sie gerade durchquerten. Mehrmals am Tag hörten sie das Pfeifen einer Granate und das Rattern von Maschinengewehren. Dann warfen sie sich in den Schlamm oder gingen hinter einer kleinen Anhöhe in Deckung. Da sie sich nun näher am eigentlichen Kampfgebiet befanden, mussten sie ihre Vorstellungen stets vor Einbruch der Dunkelheit beendet haben, denn jede Art von künstlicher Beleuchtung hätte den Feind angelockt. Obwohl die Minnesänger Tag und Nacht miteinander verbrachten, konnte Pearl ihr Geheimnis bislang hüten. Außer den beiden Trägern waren Farthing und Marks die Einzigen in der Gruppe, die keine Ahnung hatten, dass sie eine Frau war. Sie musste deswegen stets auf der Hut sein, dass sie es nicht merkten. So ging sie nie gemeinsam mit den anderen schwimmen. Nur wenn es vollkommen dunkel war, badete sie kurz allein. Zwar hatte sie den Rasierapparat ihres Bruders im Gepäck und seifte jeden Morgen ihr Gesicht mit Rasierseife ein, aber dann kratzte sie den Schaum lediglich mit dem Rasierer ohne Klinge aus dem Gesicht.
Wenn sie nachts um ein Lagerfeuer herumsaßen, zogen Farthing und Marks oft über ihre ehemaligen Geliebten und deren mangelnde Kochkunst her. Pearl war von dem Gerede ziemlich schockiert. Sie hatte Männer noch nie so offen und unverblümt sprechen hören. »Das ist ja das ganze Elend zwischen den Geschlechtern«, bemerkte Farthing eines Abends. »Für einen Mann ist das erste Mal mit einer Frau in der Regel das beste, und mit der Zeit geht es immer weiter bergab.« Er schüttelte den Kopf. »Umgekehrt ist für die Frauen das erste Mal immer das schlechteste, aber dann wird es für sie immer besser.«
Marks lachte laut auf, und Pearl bemühte sich schnell, es ihm gleichzutun, obwohl sie ziemlich entsetzt war. Blue und Charlie lagen zu der Zeit schon in ihrem Zelt und schliefen.
»Was meinst du dazu, Willis?«, wollte Farthing nun wissen.
Pearl nickte. »Mann«, sagte sie und schnippte ihren Zigarettenstummel ins Feuer, »erzähl mir nichts vom ersten Mal. Ich habe da mal so ’ne kleine Maus aufgerissen. Und weißt du, wo wir es zum ersten Mal getrieben haben? Im Luna Park.«
»Erzähl keinen Scheiß.«
»Ich schwör’s.«
»Etwa auf dem Riesenrad?«
»Haben sie euch Eintrittskarten dafür verkauft?«, fügte Marks hinzu.
»Es war in der Nacht, als die Japse im Hafen von Sydney aufgekreuzt sind. In einer von diesen Röhrengondeln im Tumblebug.«
»Du hast’s also quasi im Freien getrieben?«, meinte Farthing.
»Das habe ich auch einmal probiert«, warf Marks ein, »aber da war es scheißkalt, und mein John ist glatt weggeschrumpft.«
»Ich wollte es erst auch nicht«, erwiderte Pearl und gab sich reichlich Mühe, mit diesem Männerjargon mitzuhalten, »doch sie hat mich regelrecht angebettelt. Und als wir fertig waren, kaum dass ich mein Ding rausgezogen hatte, da dreht sie den Spieß um und verlangt von mir, dass ich ihr einen Gefallen tue.«
»So was hat immer ein Haken.«
»Bestimmt wollte sie Geld, was?«, fragte Farthing.
»Lass mich raten«, sagte Marks. »Wahrscheinlich wollte sie stehenden Fußes bei dir einziehen und dein ganzes Leben umkrempeln. So hat’s meine erste Freundin mit mir gemacht. Nach einem halben Jahr habe ich mich verdrückt und alles stehen und liegen lassen. Ich habe ihr alles überlassen.«
»Stellt euch vor, sie wollte, dass ich ihr das Saxofonspielen beibringe.« Pearl rieb sich die Hände über dem Feuer. »Da legt man sie einmal flach, und schon glauben sie, dass du ihnen gehörst.«
»Bloß weil sie mal die Beine breit machen …«
»Und fünf Minuten auf dem Rücken liegen.«
»Bei dir höchstens drei Minuten«, kicherte Farthing.
»Na, und du brauchst doch höchstens sechzig Sekunden!« Pearl
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