Bis ans Ende des Horizonts
Lippenstift Gesicht und Hals mit einer traditionellen Stammesbemalung verziert; ihre Fusselhaare waren mit Kasuarfedern und bunt schillernden Paradiesvogelfedern gespickt. Sie setzten Pearl so auf der großen Spule aus Holz ab, dass sie aufrecht zum Stehen kam; von der Plattform aus sang sie weiter, während ihr die Soldaten Kusshände zuwarfen. Das Gejohle und Gepfeife aus dem Publikum steigerte sich zu einem sirenenartigen Geheul.
Dann setzten die echten Sirenen ein. Ein hoher, unheilvoller Ton hallte durch das Tal. Die Band hörte abrupt zu spielen auf. Die Soldaten sprangen auf und rannten los. Dann näherte sich aus der Ferne das Jaulen einer Zero, des gefürchteten japanischen Jagdflugzeuges. Charlie ging mit seinem Kornett in der Hand in dem Schützengraben am Rande der Lichtung in Deckung, gefolgt von Marks und Farthing, die die mobile Orgel trugen. Pearl sprang von der hölzernen Plattform auf der Spule herunter, aber das enge Kleid behinderte sie beim Laufen, sodass sie stolperte und in den Matsch fiel. Das Brüllen der Motoren des herannahenden Flugzeugs war ohrenbetäubend. Während sie noch versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, schnappte sich Wanipe sie und trug sie auf seinen Armen weiter. Beim Hochschauen konnte sie die kreisrunden scharlachroten Fliegerabzeichen der japanischen Luftwaffe auf dem Rumpf eines Flugzeugs sowie die silbrig-metallfarbene Unterseite der Tragfläche erkennen. Die erste Bombe wurde ausgeklinkt und fiel mit dem charakteristischen lauten Pfeifgeräusch. Wanipe ließ sie in den Schützengraben fallen und sprang hinterher. Die Bombe schlug am oberen Ende der Landebahn auf und verfehlte einen dort abgestellten Boston-Havoc-Bomber um ein Haar. Das ganze Tal erzitterte, und auf die Explosion folgte ein Regen aus Erde und Steinen. Pearl streckte den Kopf über den Rand des Schützengrabens und beobachtete, wie zwei Kanoniere ein Flakgeschütz bemannten.
Dann erschien eine zweite Zero am Himmel und warf ihren Schatten auf die Hügel. Das Flugzeug kam näher, und die Flak-Kanoniere feuerten in den Himmel. Pearl hörte das kurze, abgehackte Knallen der Geschütze. Daraufhin explodierte das Flugzeug in knapp einem Kilometer Entfernung in einem Feuerball in der Luft.
Erst jetzt kam Blue hinter dem Gebüsch hervorgestürmt und knöpfte sich dabei noch die Hose zu. Er rannte direkt auf den Graben zu, als er bemerkte, dass seine Posaune noch immer auf dem Kasten lag, etwa fünfzig Meter entfernt. Er änderte seine Richtung und lief dorthin, wobei ihm noch das Hemd hinten aus der Hose hing und wie eine winkende Hand flatterte. Das brennende Flugzeug verlor rasant an Höhe und stürzte auf das Camp.
»Blue!«, schrie Pearl. »Komm hierher!« Charlie rief, er solle die verdammte Posaune liegen lassen, doch Blue hörte ihn entweder nicht, oder es war ihm egal. Die Zero war nun direkt über ihnen und fiel immer schneller. Vom Boden aus wirkte sie wie ein großer brennender Komet. Im selben Augenblick, als die Kanoniere ihr Geschütz verließen, um in den Graben abzutauchen, griff Blue nach seiner Posaune. Und dann entzündete ein Inferno aus glühendem Metall und brennendem Öl den Himmel und zog eine dicke Rauchwolke hinter sich her, als die Trümmer auf dem Camp aufprallten.
17
Die ganze Nacht lang brannte das Flugzeugwrack und glühte aus. Die Luft war von dichtem Rauch erfüllt, der nach verbranntem Gummi, Kerosin und Holz stank. Pearl saß lange Zeit zusammengekauert mit Charlie im Graben und hielt ihn in den Armen, um ihn zu trösten. Farthing, der Organist, war außer sich vor Wut und schrie die beiden amerikanischen Kanoniere an, die das Flugzeug abgeschossen hatten. Er drohte sogar damit, die beiden zu erschießen. Der Schlagzeuger, Marks, musste ihm das Gewehr aus der Hand winden. Dann erschien ein wütender Feldwebel, legte Farthing Handschellen an und führte ihn ab.
In dem ganzen Durcheinander bekam Pearl nur am Rande mit, wie die übrigen Soldaten vom Fluss aus eine Kette bildeten und Wassereimer zu der Unglücksstelle weiterreichten, um das Feuer einzudämmen. Es bestand nicht nur die Gefahr, dass der Brand auf das Camp übergriff, sondern das Feuer gab auch ein weithin sichtbares Ziel für den Feind ab. Später gab Pearl Charlie einen Kuss auf die Stirn und schloss sich den Männern an, die das Feuer bekämpften. Stunde um Stunde verrichtete sie diese kräftezehrende Arbeit wie in einer Art Trance. Sie konnte es kaum fassen, was sie hatte mit ansehen müssen, wie rasch
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