Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
Vom Netzwerk:
umklammert. Pearl löste es aus den steifen Fingern. Es handelte sich um das Foto einer hübschen Japanerin, die in Rock und langärmeliger Bluse und mit glitzernden Kämmen im Haar am Ufer eines Flusses saß. Sie hielt eine Blume, möglicherweise eine Chrysantheme, in der Hand und blinzelte scheu in die Kamera. Von diesem Anblick war Pearl entsetzt und zugleich zutiefst gerührt, und sie musste mit den Tränen kämpfen. Das Gesicht seiner geliebten Frau war wohl das Letzte, was dieser junge Mann gesehen hatte, unmittelbar bevor er starb. Der Japaner hatte die Frau auf dem Foto sicher ebenso geliebt, wie Charlie Blue liebte, und ebenso wie sie James liebte. In diesem Augenblick kam ihr alles, wofür sie kämpften, wie eine enorme Vergeudung von Zeit und Leben vor, es war alles so sinnlos. Allerdings war sie ihrem Ziel vielleicht auch ganz nah, denn sie hoffte nach wie vor, ihren Geliebten in Nadzab zu finden.
    Pearl bat den Fahrer, den Leichnam auf den Jeep zu laden und zum nächsten Camp mitzunehmen, um dessen Identität festzustellen und ihn anständig zu begraben, dieser verzog jedoch lediglich das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Lass den Dreckskerl hier verrotten«, sagte er. »Mit unseren Leuten machen sie es genauso.«
    Da Pearl sich nicht anders zu helfen wusste, legte sie das Foto wieder zurück in die Hand des Mannes und schloss seine steifen Finger darum.
    Endlich tauchte das Camp in der Ferne auf. Nadzab war eine dürftige Ansammlung von Baracken mit Bombenschäden und einer Anzahl von Zelten, die an den Hang eines Tales gebaut waren. Pearl konnte schon von weitem Scharfschützenposten mit dem Gewehr im Anschlag in den Kronen einiger Kokospalmen erkennen. Transportfahrzeuge fuhren ständig hin und her und beförderten Nachschub in die umliegende Gebirgsregion. Als sie in das Camp hineinfuhren, kamen sie an einigen schwarzen Soldaten mit nacktem, staubbedecktem Oberkörper vorbei, die damit beschäftigt waren, Gräben um einige Artilleriegeschütze auszuheben. Pearl hielt angestrengt Ausschau nach James, aber die meisten Männer standen mit dem Rücken zu ihr, und sie rasten in dem Jeep allzu schnell vorbei.
    Der Wagen hielt vor der Einsatzzentrale, einer niedrigen, rechteckigen Baracke, die aus Blechteilen zusammengesetzt und mit Palmwedeln gedeckt war. Marks und Farthing gaben sich Mühe, die gedrückte Stimmung mit allerlei witzigen Bemerkungen etwas zu heben und Charlie ein bisschen aufzuheitern. Dann erschien der befehlshabende Offizier, ein fetter, rotgesichtiger Sergeant mit Aknenarben im Gesicht und hervorquellenden blauen Augen, der wie eine Kröte wirkte.
    Er warf einen kritischen Blick auf die Instrumente hinten im Jeep. »Lieber Himmel!«, rief er mit starkem amerikanischem Akzent, »wir brauchen dringend Verstärkung und keine Musikanten!«
    »Eine Trommel ist mächtiger als ein Schwert, Sir«, gab Marks zurück.
    Der Hauptmann zog die Augenbrauen zusammen. »Ich heiße Thomas. Sergeant Thomas.« Er bedachte Marks mit einem vernichtenden Blick. »Soweit ich weiß, ist noch kein einziger Japse durch ein Jazzriff getötet worden, Gefreiter.«
    »Sie haben eben noch nie ein Solo von Marks gehört, Sir«, erwiderte Farthing.
    »Gestern hatten wir schon wieder einen Luftangriff«, blaffte der Sergeant. »Dreizehn Gefallene. Und diesen verdammten Idioten in Lae fällt nichts Besseres ein, als mir einen Haufen Aussie-Hampelmänner vorbeizuschicken.«
    Pearl war sich darüber im Klaren, dass dies jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um sich nach James zu erkundigen. Sie sprang vom Jeep herunter und ließ den Blick über das Camp schweifen. Eine Gruppe Schwarzer war damit beschäftigt, Waren von einem Lastwagen abzuladen, der neben dem PX -Laden stand. Sie blinzelte ins Sonnenlicht. Er war hier irgendwo in der Nähe, dessen war sie sich sicher. Entweder direkt hier im Camp oder irgendwo in der näheren Umgebung. Vielleicht hatte er die Ankunft der Musikgruppe bereits bemerkt, hatte sie vielleicht schon gesehen, aber nicht erkannt, da er nicht wissen konnte, wer sie wirklich war und was sie hier zu suchen hatte.
    Der Sergeant spuckte auf den Boden. »Ihr Typen habt ein lockeres Leben. Fahrt in der Gegend herum und blast ab und zu in eure Trompeten.«
    »Wir haben alle eine Grundausbildung absolviert, Sir«, entgegnete Farthing.
    »Na großartig. Dann könnt ihr heute Nacht Wache schieben. Ich brauche Ersatz für die Männer, die ich gestern verloren habe.«
    Die Musiker wurden zu zwei Zelten nahe

Weitere Kostenlose Bücher