Bis auf die Haut

öffnen sich und du wippst ihm sanft entgegen, dann steigt tief aus dir etwas auf, du stößt seinen Kopf immer tiefer in dich hinein, bis du seine Zunge fickst, immer heftiger, und du willst, dass er dich verschlingt und nie aufhört.
    Die Schwangerschaft hat etwas Grundsätzliches an deinen Phantasien verändert. Da ist jetzt nicht mehr die Frau in deinem Kopf, die du kaum erkennst, keine bizarren Abenteuer, die du gar nicht in Wirklichkeit erleben möchtest, sondern alles dreht sich um dich und die Dinge, die du getan hast.

106. Lektion Die Mutter sollte sich so früh wie möglich der Dienste einer tüchtigen Hebamme und eines kenntnisreichen Arztes versichern
    Die Klinik, die du zum ersten Mal zur Vorbereitung auf die Geburt besuchst, liegt in einem Londoner Außenbezirk, ein finsteres viktorianisches Gebäude mit hohen, schmutzigen Fenstern. In den Gängen flattern Tauben durch Streifen trüben Lichts, der Boden der Toilette ist mit Blut befleckt. Cole ist außer sich, dass bei der Geburt nur eine Hebamme und sonst niemand anwesend sein wird. Dieses ausgepowerte Land, tobt er, wir sind im einundzwanzigsten Jahrhundert und trotzdem hat man das Gefühl, seit hundertfünfzig Jahren hat sich nichts geändert. Er will das Beste für dich, du spürst, wie sein Besitzanspruch und sein Beschützerinstinkt sich wie ein Schirm über dich wölben; wieder steigen Schuldgefühle in dir hoch, du bringst kein Wort heraus, sondern drückst ihm nur dankbar den Arm.
    Aber dann, beim ersten Ultraschall, könnt ihr wieder lachen, denn euer Baby manövriert sich mit wilden Sprüngen vom Bildschirm, spielt euch Streiche, purzelt und tanzt davon, dann ist es wieder da mit seinen kleinen Patschhändchen und dem seltsam grimmigen Gesicht, das euch unvermittelt anzustarren scheint.
    Tränen bei dieser sichtbaren Bestätigung: Nein, du bildest dir das Ganze nicht nur ein.
    Aber wann wirst du den kleinen Astronauten in deinem Bauch strampeln spüren? In der achtzehnten Woche wirst du ungeduldig, weil er sich nicht rührt, und immer noch zieht er dich in diese bleierne Müdigkeit hinab, du wachst müde auf und schaffst den ganzen Tag lang nichts. Du fragst dich, ob das
jemals
vorbeigehen, ob du dich jemals wieder normal fühlen wirst. Aber vielleicht lohnt sich ja alles, denn du wirst nie wieder so unter einer solchen Einsamkeit leiden wie an jenen Weihnachtstagen als Single, als dein Herz Risse und Sprünge bekam. Dagegen ist ein Kind bestimmt der beste Schutz.
    Du rufst deine Mutter an, hast dich entschlossen, dich bei ihr zu entschuldigen. Du kannst die Spannungen zwischen euch nicht mehr ertragen, sie lasten schwer auf dir und du willst versuchen, sie endlich auszuräumen. Du musst deinen Stolz hinunterschlucken und sagen: Es tut mir Leid. Auch wenn du nicht genau weißt, was dir da Leid tun soll.
    Sie ist so erleichtert, als du dich meldest. In ihrer Stimme klingt eine große Traurigkeit durch, als wäre sie die ganze Zeit, in der ihr nicht miteinander geredet habt, schrecklich niedergeschlagen gewesen und hätte sich wie du nach einem freundschaftlichen Verhältnis zwischen euch beiden gesehnt. Keine von euch erwähnt deine überstürzte Abreise, ihr wollt nicht in alten Wunden stochern.
    Ich kann’s kaum erwarten, bis das Baby kommt, sagst du zu ihr. Ich möchte, dass es mein kleiner Freund wird und ich nie mehr im Leben einsam bin.
    Oh, als Mutter könntest du sogar noch einsamer sein als je zuvor, wendet sie ein. Ich bin nicht sicher, ob ich dir das sagen sollte, aber es gibt für eine Frau nichts Schlimmeres als den Schmerz, der aus der Liebe zu ihrem Kind entsteht. Sie macht eine Pause. Vor allem, mein Liebling, wenn dieses Kind sie ablehnt.
    Es gelingt ihr nicht, die eingefahrenen Gleise zu verlassen, sie wird immer in die alten Verhaltensmuster zurückfallen, wird nie Ruhe geben. Und was ist, wenn die Mutter ihr Kind ablehnt, möchtest du kontern, verkneifst es dir aber. Du sagst deiner Mutter, dass du sie liebst, wiederholst noch einmal, dass es dir Leid tut, und versprichst, bald wieder anzurufen. Du versuchst möglichst viel von deinem Leben unter Kontrolle zu behalten und denkst an die schöne Handschrift von Sylvia Plath, die so gestochen sauber und beherrscht war, je mehr ihre Welt aus den Fugen geriet.

107. Lektion Ein gutes Abfliessen der Abwässer ist eines der ersten Erfordernisse eines gesundten Haushalts
    In der zwanzigsten Woche spürst du ein Flattern im Bauch.
    Die ersten Bewegungen deines Babys, das in dir