Bis auf die Haut
Hals, die Pianisten-Handgelenke, das spärliche Haar auf seiner Brust, der lange, gebogene Schwanz. Gabriel bedeckt deinen Körper mit dem seinen und küsst deinen Hals, du spürst ihn hart zwischen deinen Pobacken, und dann drehst du dich langsam um, dass du ihm ins Gesicht sehen kannst, und bemerkst zum ersten Mal seine Konzentration, du siehst ihm an, dass dieses Erlebnis völlig neu und fremd für ihn ist, gefühlsmäßig wie körperlich, eine unbekannte Größe, eine neue Herausforderung, die er ohne Probelauf bewältigen muss.
Punkt eins auf der Tagesordnung: die Vorort-Hausfrau.
Punkt zwei: die Hochschwangere.
Punkt drei: Gott weiß, was als Nächstes an die Reihe kommt.
Du bist so schön, flüstert er und legt seine Hände auf deinen Bauch und deine Brüste, so schön, du solltest das Ganze widerwärtig finden, solltest fürsorglich nach innen blicken und nicht außer dir sein vor Verlangen, aber in diesem Moment der Gier bist du bereit, dein ganzes Leben in seine Hände zu legen. Denn du spürst in Gabriels Küssen und Berührungen ganz stark, dass seine Art zu lieben eine klare Form angenommen hat, er weiß, was er tut, die Lektionen haben gewirkt. Seine Berührungen sind gezielt und kreativ, es ist, als wollte er die Erinnerung an jeden anderen Mann auslöschen, mit dem du je zusammen warst, als wollte er deine Haut dauerhaft mit seinem eigenen Abdruck prägen. Du empfindest heiße Eifersucht: Welche andere Frau hat er berührt, wer hat ihm dieses Vertrauen, diese Überlegenheit gegeben? Dabei hat dich der Gedanke an andere Frauen einmal erregt. Als du Gabriel noch fest im Griff hattest.
Du drehst dich wieder um und er dringt von hinten in dich ein, du bist in der vierunddreißigsten Schwangerschaftswoche und solltest Derartiges tunlichst unterlassen, aber bevor du Zeit hast, ihn abzuwehren, kommst du, als er noch gar nicht richtig angefangen hat. Du kommst immer wieder, deine Orgasmen überstürzen sich, du gehst in ihnen unter. Du umklammerst seine Finger und er umklammert deine, deine Knöchel sind weiß wie Knochen, und die Nachbeben halten noch lange an.
Ich will in dir kommen, flüstert er.
Es fühlt sich an wie eine Vergewaltigung, du hast ein ungutes Gefühl dabei. Aber das sagst du ihm nicht.
Bitte, sagt er.
Du spürst es nicht einmal.
121. Lektion Haltet die Füße immer warm und trocken
Gegen ein Uhr früh sitzt er auf dem Hotelsofa und du sitzt ihm in einem Sessel gegenüber, deine nackten Füße auf seiner Brust überkreuzt, mit den Fußsohlen spürst du sein Herz schlagen. Er lässt den Kopf hängen und sieht dich mit rot geränderten Augen von unten an; in solchen Momenten beginnt die Ehrlichkeit.
Ich glaub nicht, dass ich so weitermachen kann, sagt er. Ich bin nicht sicher, ob wir uns noch einmal sehen sollten. Es wühlt wie eine Krankheit in mir, sagt er, weil es so schön ist; aber jetzt bist du schwanger und das ist mir heilig – ich weiß, ich weiß, wirft er schnell ein, trotz allem, was ich eben getan habe. Aber ich muss mein Leben weiterleben. Du hast mich von Grund auf verändert, du warst so wichtig für mich, und das werde ich nie vergessen. Aber jetzt lebe ich wieder selbst. Mit meiner Arbeit fängt es an zu laufen, ich hab einen Produzenten an der Hand, das Skript nimmt Formen an, und dann fährst du schnell dazwischen und schneidest ihm das Wort ab: Du musstest ihn einfach sehen, weiter nichts, du wolltest dich von ihm verabschieden, und du sprudelst alles viel zu schnell und zu leicht hervor, weil du dich vordrängen willst, und beim Reden spürst du durch deine Fußsohlen, wie sein Herz rast. Was für eine Qual, dieser Moment; du hast nicht gewollt, dass er sich dir gerade jetzt entzieht. Du wiederholst dich, und deine Stimme gerät ins Wanken, bis sie versiegt: Ein letztes Mal wolltest du noch mit ihm zusammen sein, dann nie wieder, sagst du zu ihm, danach wirst du in dein Londoner Leben zurückkehren, ihr werdet euch nie wieder sehen, von diesem Moment an wird jede Verbindung zwischen euch abbrechen, es ist aus, es ist vorbei.
Die große Ruhe, die Betäubung durch den Schock, wenn sich alles verlangsamt, sogar dein Herz. Der Schock über seine Abfuhr, über das, was du selbst gesagt hast: dass es kein Zurück gibt.
Ihr seid beide ganz still. Dein Fuß bleibt gegen sein Herz gepresst. Es ist, als ob ihr beide darauf wartet, dass etwas Bedeutsames ausgesprochen wird, aber keiner von euch hat den Willen oder den Mut dazu.
Stumm sitzt ihr voreinander. Du hörst
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