Bis auf die Knochen
zwischen dem frischen Gras und den modrigen Knochen.
Als Miranda und ich den Weg zum oberen Ende des Gel ä ndes hinaufstapften, bemerkte ich einen neuen Leichensack wenige Schritte abseits des Weges, aus dem eine Hand und ein Fu ß ragten. » Ist das der t ö dliche Unfall auf dem Highway? «
» Ja «, sagte sie. » Wir haben ihn gestern Morgen vom Leichenschauhaus hergebracht.«
Ich kniete mich neben die Leiche und schlug den Leichensack zur ü ck. Ein kleines Schmei ß fliegengeschwader schw ä rmte unter dem schwarzen Plastik aus. » Und er war zu Fu ß auf der I-40 unterwegs? «
» Ja, er ist das erh ö hte St ü ck Stra ß e Richtung Innenstadt entlanggewandert, wo es keine Standspur gibt. Ist auf die Fahrbahn gestolpert, und ein Highschoolstudent hat ihn direkt ü berfahren. Der Junge tut mir leid – anscheinend ist er ziemlich fertig deswegen.«
» Wem ginge das nicht so «, sagte ich. » Ich habe mal einen Hund ü berfahren, und da musste ich mich ü bergeben. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie es ist, versehentlich einen Menschen umzubringen.«
» Er hatte Gl ü ck, dass er so eine gro ß e Gel ä ndelimousine fuhr. Sonst w ä re er vielleicht auch umgekommen. Das Auto war vorne ziemlich zerbeult. Bei einem kleineren Auto w ä re der Typ bei hundert oder hundertzehn Stundenkilometern wom ö glich ü ber die Motorhaube geflogen und durch die Windschutzscheibe gekracht.«
Ich betrachtete den Toten genauer. Er sah aus, als h ä tte er vier oder f ü nf harte Jahrzehnte gelebt, bevor er den Tod auf der Ü berholspur fand. Eine Seite des Gesichts und des Sch ä dels waren zerschmettert; im Haar hingen Glasscherben und Farbsplitter, und aus dem Kiefer waren einige Z ä hne herausgebrochen. Der linke Arm, die Schulter und die Rippen schienen ebenfalls zertr ü mmert zu sein. Ü berall verteilt auf seinen vielen Verletzungen bemerkte ich Klumpen von wei ß en Fliegeneiern, die aussahen wie k ö rnige Paste oder Grie ß brei. In vierundzwanzig Stunden w ü rde der ganze K ö rper von frisch geschl ü pften Maden wimmeln.
» Sieht aus, als k ö nnte man eine M ü nze werfen, ob er an einem Hirnschaden gestorben ist oder an inneren Verletzungen «, sagte ich. » Ich sch ä tze, Jess k ö nnte es feststellen, falls es eine Rolle spielte.«
» Die Familie hat gesagt, sie will keine Obduktion, und die Leiche will sie auch nicht «, sagte Miranda. » Er hat eine Weile auf der Stra ß e gelebt; Probleme mit Alkohol und wahrscheinlich Geisteskrankheit. Anscheinend hatten er und seine Verwandten nicht viel f ü reinander ü brig. Auf dem Totenschein steht einfach ›multiple Verletzungen nach Verkehrsunfall‹ als Todesursache.«
» Nun, es ist schade um ihn «, sagte ich, » aber er wird eine interessante Erg ä nzung zu unserer Knochensammlung. Gutes Beispiel f ü r ein Trauma durch massive stumpfe Gewalt und daf ü r, dass die Art und Weise, wie die Knochen gebrochen sind, darauf schlie ß en l ä sst, aus welcher Richtung der Aufprall kam.«
» Und auch ein gutes Beispiel daf ü r, warum es keine gute Idee ist, unter Alkoholeinfluss am Verkehr teilzunehmen, und sei es nur als Fu ß g ä nger.«
» Auch das.«
Ich deckte den Leichensack wieder ü ber den Mann und schob seine Hand und seinen Fu ß unter die Plane in den Schatten. Der Schatten w ü rde verhindern, dass die Haut ledrig-z ä h wurde, was in der Sonne leicht passierte; und er w ü rde daf ü r sorgen, dass die Maden – die das Tageslicht und die r ä uberischen V ö gel, die dann unterwegs waren, scheuten – rund um die Uhr emsig futterten. Damit wandten wir uns ab und eilten weiter den Pfad hinauf zu dem Double unseres Opfers aus Chattanooga.
Im N ä herkommen sah ich, warum Miranda so begierig gewesen war, mich herzubringen, damit ich einen Blick darauf werfen konnte. Die Leiche hing noch am Baum, der Kopf baumelte ihr fast auf der Brust. Trotz der Verletzungen im Gesicht, die ich repliziert hatte – blutende Verletzungen, die wimmelnde Maden normalerweise zu einer Fressorgie anstiften w ü rden –, war der gr öß te Teil des weichen K ö rpergewebes dort noch vorhanden. Selbst das ü bertriebene Augen-Make-up war noch intakt. Doch von den F üß en der Leiche, von Kn ö cheln und Unterschenkeln waren fast nur noch die nackten Knochen ü brig.
» Wow «, sagte ich, » er sieht dem Mordopfer schon ziemlich ä hnlich, au ß er dass sein Bauch noch aufgebl ä ht ist. Vielleicht noch zwei Tage, dann entspricht er ihm ziemlich genau.« Ich
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