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Bis aufs Blut - Thriller

Titel: Bis aufs Blut - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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auf, mit mir zu spielen. Ich wurde zu einem bloßen Zuschauer degradiert. Ich informierte mich über die Bluterkrankheit und konnte in zweierlei Hinsicht von Glück sagen: Erstens litt ich nur an der milden Form; zweitens war ich spät genug geboren, um von den Fortschritten bei der Behandlung der Krankheit profitieren zu können. Aus Frischblut gewonnenes Faktor-VIII-Konzentrat gibt es erst seit Anfang der Siebzigerjahre, davor wurde man mit Kryo behandelt. Leute, die an der schweren Form leiden, sind erheblich schlimmer dran als ich. Bei ihnen können spontane innere Blutungen in die Gelenke, die Bauchhöhle und sogar ins Gehirn auftreten. Diese Probleme habe ich nicht. Wenn ich auf den OP-Tisch oder zum Zahnarzt muss, kann mir der Arzt vorher eine Dosis Gerinnungsfaktor spritzen, und alles ist in Butter. Es handelt sich um eine seltsame Krankheit, die von Frauen zwar übertragen werden kann, bei ihnen aber - außer in den seltensten Fällen - nie zum Ausbruch kommt. In Großbritannien ist ungefähr einer von fünftausend Männern Bluter, was eine Gesamtkopfzahl von neuntausend ergibt. Bis vor gar nicht langer Zeit machte sich keiner die Mühe, Blutspender auf HIV zu testen. Die Folge war, dass mehr als zwölfhundert Bluter mit einem tödlichen Produkt behandelt wurden, jetzt also HIVPOSITIV und zum Tode verurteilt sind.
    Etwas Ähnliches passierte in Frankreich. Kinder wurden mit kontaminierten Gerinnungsfaktoren behandelt, und dann versuchte man, die Sache zu vertuschen. Als ich davon erfuhr, geriet ich in eine unbeschreibliche, mörderische Wut. Um ein Haar wäre ich losgezogen und hätte die Verantwortlichen abgeknallt... nur, wer war verantwortlich? Es war schlichtes menschliches Versagen gewesen, mochten die Folgen auch noch so entsetzlich sein. Das ist mit ein Grund, warum ich keinen Job in einem Dritte-Welt-Land übernehmen würde, es sei denn, er wäre finanziell wirklich verlockend. Ich habe Angst, dass ich mich verletzen und dann mit verseuchtem Faktor VIII behandelt werden könnte. Manchmal träume ich davon. Heutzutage sind strenge Untersuchungen vorgeschrieben, aber führt sie auch jedes Land durch, testet und filtert jedes Land die Blutkonserven? Ich bin mir da nicht so sicher. Ich kann mir nie sicher sein.
    Natürlich trage ich meine Ausrüstung ständig bei mir, meine Einwegspritzen, den pulverisierten Gerinnungsfaktor und destilliertes Wasser. In Fällen, in denen normale Menschen zum Hausarzt oder Zahnarzt gehen würden, muss ich ein Hämophiliezentrum aufsuchen, und einmal im Jahr steht ein Check-up an. Die von Blutern verwendeten Blutprodukte enthalten alle möglichen Verunreinigungen, die mitunter Leberschäden wie Hepatitis und Zirrhose verursachen. Dazu kommen noch die Blutungen selbst, die zu schwerer Arthritis führen können. (Man stelle sich mal einen arthritischen Auftragsmörder vor!) Fünf bis zehn Prozent von uns entwickeln Inhibitoren, Antikörper, die die Wirkung des injizierten Faktors VIII hemmen. Wie gesagt, es ist eine seltsame Krankheit. Wir dürfen keine intramuskulären Injektionen erhalten und kein Aspirin nehmen. Aber die Situation bessert sich ständig. Es gibt DDAVP, ein synthetisches Medikament, das den Faktor-VIII-Level erhöht, und mittlerweile haben wir auch wirklich synthetischen Faktor VIII, sogenannten rekombinanten Faktor VIII. Er ist mit 8SM und Monoclate P identisch, aber im Labor erzeugt, nicht aus Blut gewonnen. Also auch wirklich unkontaminiert, wie man hofft.
    Außerdem ist es inzwischen auch möglich, Hämophilie durch eine Lebertransplantation zu heilen . Doch der Eingriff scheint zurzeit noch gefährlicher zu sein als die Krankheit selbst. Irgendwann wird es auch eine richtige Therapie geben; Genforscher werden sie entwickeln und einfach das geschädigte Gen »ausschalten«.
    Wie man sich vorstellen kann, hatte die Hämophilie einschneidende Auswirkungen auf mein ganzes Leben. Sie begannen praktisch in dem Augenblick, in dem die Krankheit diagnostiziert wurde. Meine Eltern machten sich Vorwürfe. Es hatte noch nie Bluter in der Familie gegeben, aber das ist bei rund einem Drittel der Fälle so - es findet lediglich eine spontane Mutation in den Samenzellen des Vaters statt. So war das eben bei mir. Meine Eltern, und besonders meine Mutter, behandelten mich wie ein rohes Ei. Keine wilden Spiele mit anderen Jungen mehr - sie sorgten dafür, dass deren Eltern alles über Hämophilie erfuhren. Mein Vater verbrachte zunehmend mehr Zeit auf dem Schießstand.

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