Bis aufs Blut - Thriller
steckte.
»Tut mir leid«, sagte ich, »diesmal habe ich kein Mitbringsel für dich.«
Sie zog eine Schnute. »Jetzt schmolle ich aber eine Runde.«
Ich zog die Kappe heraus, die ich mir gekauft hatte. »Es sei denn, du willst die hier.«
Sie nahm sie mir aus der Hand und sah sie interessiert an. »Wahnsinn, danke«, sagte sie mit vor Ironie triefender Stimme. »Die leg ich mir unters Kissen.«
Max massierte seinen Unterkiefer. Unter normalen Umständen redete er verständlicherweise nicht viel. In den letzten zwanzig Minuten hatte er mehr gesagt als sonst an einem ganzen Tag.
»Wie war das eben, dass ich für dich arbeiten soll?«, fragte Bel und verschränkte die Arme.
»Genauer gesagt, mit mir zusammen arbeiten.« Während ich sprach, sah ich Max an. »Ich muss nach London zurück, ein paar Fragen stellen. Mit einer Begleiterin würde ich weniger auffallen. Außerdem gibt es vielleicht Leute, die ich nicht persönlich sprechen kann. Bel könnte das für mich übernehmen.«
»Nein«, sagte Max.
»Ich zahle gut, und ich passe auf sie auf. Ich gehe auf Nummer sicher. Beim ersten Anzeichen von Gefahr sind wir sofort weg und wieder hier.«
»Bin ich eine Bauchrednerpuppe, oder was?« Bel war aufgesprungen und stand da, die Hände in die Hüften gestemmt. »Warum fragst du nicht mich ? Du redest so, als wolltest du dir ein Auto oder ein Fahrrad ausleihen, nicht einen Menschen!«
»Tut mir leid, Bel.«
»Du gehst nicht mit«, sagte Max.
»Ich hab doch noch gar nichts gesagt!«, protestierte sie und knallte die Hand flach auf den Tisch. »Ich will erst mal hören, worum es geht.«
Also sagte ich es ihr. Es hatte keinen Sinn, irgendwas zu verschweigen. Bel war nicht dumm, und naiv schon gleich gar nicht. Sie hätte eine Lüge sofort gewittert. Es ist nicht leicht, jemandem zu erzählen, womit man sich seinen Lebensunterhalt verdient - jedenfalls dann nicht, wenn man nicht stolz auf seine Arbeit ist. Es hatte mich nie gestört, dass Max Bescheid wusste, aber Bel... bei Bel lag die Sache ein wenig anders. Natürlich wusste sie es schon die ganze Zeit. Ich meine, dass ich zur Farm kam, Gewehre kaufte, sie stundenlang einschoss, sie umbaute - das tat ich ja kaum als Freizeitbeschäftigung. Trotzdem röteten sich ihre Wangen, als ich meine Geschichte erzählte. Als zum drittenmal Tee aufgebrüht wurde, herrschte völlige Stille, auch das Radio war jetzt stumm. Bel bereitete sich einen Napf Frühstücksflocken zu und begann zu essen. Erst nach zwei Löffeln sagte sie wieder etwas.
»Ich will mit.«
Max fing an zu protestieren.
»Nur ein paar Tage, Max«, unterbrach ich ihn, »das ist alles. Schau, ich brauch diesmal Hilfe. An wen könnte ich mich sonst wenden?«
»Mir fallen auf Anhieb ein Dutzend Leute ein, die besser qualifiziert sind als Bel - und jederzeit scharf darauf, Geld zu verdienen.«
»Oh, herzlichen Dank«, sagte sie. »Schön zu erfahren, dass du eine so hohe Meinung von mir hast.«
»Ich will nur nicht -«
Sie nahm seine Hand und drückte sie. »Ich weiß, ich weiß. Aber Michael braucht Hilfe. Sollen wir ihn im Stich lassen? So tun, als würden wir ihn gar nicht kennen? Wen außer ihm kennen wir überhaupt?«
Da ging’s mir zum ersten Mal auf: Hier in der Pampa lebten sie gezwungenermaßen, nicht aus freien Stücken. Man konnte keinen Waffenhandel wie den von Max mitten in der Stadt betreiben. Aber hier draußen waren sie einsam, von der Welt abgeschnitten. Zweimal die Woche fuhren sie ins Dorf oder in die nächste Kleinstadt, aber das konnte man kaum als »soziale Anbindung« bezeichnen. Es ging nicht um Max, es ging um Bel. Sie war zweiundzwanzig. Sie hatte viel aufgegeben, als sie seinetwegen hierher gezogen war. Jetzt begriff ich, wovor Max Angst hatte: nicht davor, dass ihr etwas zustoßen, sondern dass sie auf den Geschmack kommen, dass sie ihn endgültig verlassen könnte.
»Nur ein paar Tage, Max«, wiederholte ich. »Dann bringe ich sie zurück.«
Er sagte nichts, blinzelte nur mit seinen tränenden Augen und starrte auf die Tischplatte, auf der seine von Unfällen an der Werkbank zerschrammten und vernarbten Hände lagen. Bel berührte seine Schulter.
»Ich geh ein paar Sachen zusammenpacken.« Sie lächelte mir wieder zu und rannte aus dem Zimmer. Erst jetzt fragte ich mich, warum sie so wild darauf war, mich zu begleiten.
Als sie draußen war, herrschte ein betretenes Schweigen. Ich spülte die Becher aus und hörte, wie der Stuhl über den Fußboden schrammte, als Max vom
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