Bis aufs Blut - Thriller
etwas Handschriftliches; selbst die Worte auf dem Umschlag - »STRENG VERTRAULICH« - waren gedruckt.
Ich las die Informationen noch einmal durch, auf der Suche nach Hinweisen auf die mögliche Identität meines Auftraggebers. Ein Foto der Zielperson lag auch dabei. Es zeigte Kopf und Schultern. Die Frau lächelte, den Kopf zur Seite geneigt, so dass das Haar auf die eine Schulter fiel. Das Bild sah mir nach einer professionellen Aufnahme aus, einem Bewerbungsfoto, Pressefoto oder so. Es war schwarzweiß - wie viele Leute benutzen heutzutage noch Monochromfilm? - und außerdem gestellt, ganz eindeutig kein Schnappschuss.
Wer kam normalerweise an ein Pressefoto ran? Der Fotograf natürlich, außerdem die dargestellte Person. Der Arbeitgeber der Person und wahrscheinlich ihre Angehörigen... außerdem Fans, die Putzfrau und überhaupt jeder, der an einem Stoß solcher Fotos vorbeikam und eins mitnahm. Das engte den Kreis der Verdächtigen nicht gerade sehr ein.
Ich habe gesagt, dass ich lieber nichts von meinen Zielpersonen weiß, aber dieser Auftraggeber hatte mir jede Menge Infos geschickt, und zwar zu einem großen Teil irrelevante. So viel wie er (oder sie?) von der Zielperson wusste, musste er zu deren engstem Bekanntenkreis gehören. Ich meine, das war nicht die Sorte Material, die man sich einfach aus Zeitungsnotizen zusammenklauben konnte. Der Auftraggeber musste die Frau verdammt gut kennen. Entweder das, oder er hatte wirklich gründlich recherchiert.
Was aber immer noch nicht erklärte, woher er hatte wissen können, welche Farben sie an dem Tag tragen würde. Damit war ich wieder bei Familienangehörigen und Arbeitskollegen. Wie es aussah, würde ich nach London zurückfahren und ein bisschen nachgraben müssen... aber das hing jetzt alles davon ab, was Max mir zu sagen haben würde.
Ich bezahlte schon am Abend die Rechnung, weil ich plante, am nächsten Tag vor dem Frühstück aufzubrechen. Die Wirtin wollte aber nichts davon wissen und stand schon um sechs in der Küche, um mir Rühreier mit Speck zu braten und Tee zu kochen. Sie setzte sich sogar zu mir an den Tisch, obwohl ich eigentlich lieber allein gefrühstückt hätte.
»Haben Sie eine lange Fahrt vor sich?«
»Eigentlich nicht. Bloß einen langen Tag.«
»Das kenn ich, Schätzchen.«
Ich lächelte, hatte da aber so meine Zweifel. Als ich ging, folgte mir Geronimo zum Wagen, witterte dann aber etwas Interessanteres und trollte sich. Der Morgen war trüb: dicke, tief hängende Wolken in den Tälern und nasse Straßen. Aber der XR3i sprang schon beim ersten Startversuch an. Der.357 lag auf dem Beifahrersitz, unter dem örtlichen Gratisblättchen, das ich am Abend zuvor in der Bar mitgenommen hatte. Als ich losfuhr, wusste ich, dass mir noch ein langer Fußmarsch bevorstand.
Max’ Haus stand inmitten von dreieinhalb Hektar Moorland, dessen Eintönigkeit lediglich durch Feldsteinmauern aufgelockert wurde, die die Einöde in unbewirtschaftete Feldstücke unterteilten. Die Mauern waren in den Zwanzigerjahren als Maßnahme gegen Arbeitslosigkeit gebaut worden. Es war nie beabsichtigt gewesen, die Felder irgendwie praktisch zu nutzen. Max verwendete die in der unmittelbaren Umgebung seines Hauses als Schießplätze und hatte eine lange offene Scheune zu einem überdachten Schießstand umfunktioniert. Die übrigen Wirtschaftsgebäude hatte man entweder abgerissen oder dem Zahn der Zeit überlassen. Der ehemalige Wirtschaftshof war mit Steinhaufen übersät. Max hatte die Steine nach groß, mittel und klein sortiert. Er ging immer systematisch vor, selbst wenn es sich um Bauschutt handelte.
Ich hielt ungefähr anderthalb Kilometer vor dem Haus und parkte das Auto auf dem grasbewachsenen Seitenstreifen, kletterte dann über eine der Mauern und machte mich auf den Weg. Das Gras war nass, und ich wünschte, ich hätte mir Stiefel besorgt. Aber immer noch besser so, als bis ans Haus zu fahren. Hier hörte man ein Auto auf mehrere hundert Meter Entfernung. Ich konnte das Haus jetzt zwar sehen, wusste aber, dass das Küchenfenster auf den inneren Hof ging, nicht auf das Moor. Ich zählte auf dem ganzen riesigen Gelände weniger als ein Dutzend Bäume und fragte mich, wie Bel es dort aushielt.
Ich hatte mir den Magnum in den Hosenbund geschoben, aber der Boden war so uneben, dass ich ihn vorsichtshalber lieber wieder rausholte und stattdessen in die Jacketttasche steckte. Während ich ging, hielt ich ihn mit der Hand fest. Im Auto war mir aufgefallen,
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