Bis aufs Blut - Thriller
verschränkt, so dass er deren Affenpelz kraulen konnte. Aus seinem Hemdkragen quollen weitere schwarze Locken. Nackt, dachte Hoffer, hätte er sich vor einem Kamin prima gemacht.
»Schwere Bluter«, fuhr der Arzt fort, »machen über ein Drittel aller Hämophiliefälle aus. Sie können an spontanen inneren Blutungen leiden, meist in weichem Gewebe, Gelenken und Muskeln. In der Kindheit wird ihnen empfohlen, jede Art von Kontaktsport zu meiden. Wir versuchen zu erreichen, dass sie eine gute Schulbildung bekommen, so dass sie später eher am Schreibtisch arbeiten können.«
»Dann gehen sie also nicht zum Militär?«
Dr. Jacobs lächelte. »Militär und Polizei nehmen grundsätzlich keine Bluter auf.«
Hoffer runzelte die Stirn. Wenn er auf etwas hätte schwören können, dann darauf, dass der D-Man früher entweder Soldat oder Bulle gewesen war. »Keine Ausnahmen?«
»Keine.«
»Nicht mal, wenn sie die leichte Form haben?«
Jacobs schüttelte den Kopf. »Stimmt was nicht?«, fragte er.
Hoffer zog sich schon seit einer Weile an den Ohren. »Vom Fliegen krieg ich immer so ein komisches Gefühl in den Ohren«, antwortete er. »Sagen Sie, können Sie mir helfen? Vielleicht einen Blick drauf werfen?«
»Ich bin Hämatologe, Mr. Hoffer, kein HNO-Arzt.«
»Aber Sie können doch Medikamente verschreiben, oder? Vielleicht irgendwelche Schmerzmittel?«
»Wenden Sie sich an einen praktischen Arzt, Mr. Hoffer.«
»Ich kann bezahlen.«
»Das bezweifle ich nicht. Haben Sie sich Ihren Schnupfen im Flugzeug geholt?«
»Häh?« Hoffer schniefte in letzter Zeit so häufig, dass ihm das kaum noch auffiel. Er putzte sich die Nase und rief sich in Erinnerung, dass er wieder Papiertaschentücher kaufen musste. Die verdammte Nase juckte ihm auch ständig. »Liegt an dem Scheißwetter«, sagte er.
Der Arzt machte ein überraschtes Gesicht und sah aus dem Fenster. Draußen herrschte strahlender Sonnenschein. Er wandte sich wieder zu Hoffer.
»Die Polizei hat mich schon wegen dieses Killers befragt. Nach dem, was ich gehört habe, scheint er gewisse Kenntnisse über die Hämophilie zu besitzen, aber wie ich den Beamten erklärte, kann ich mir einen schweren Bluter als Berufsmörder nicht vorstellen. Er sagte dem Rettungssanitäter, er sei ein Prozent. Ich glaube, das war gelogen. Ich meine … na ja, das ist jetzt alles Spekulation.«
»Nein, reden Sie weiter.« Hoffer stopfte sich das zerfledderte Papiertaschentuch wieder in die Tasche.
»Tja, ich könnte mir vorstellen, dass die Waffen, die er benutzt, einen ziemlichen Rückstoß haben.«
»Das können Sie laut sagen.«
»Na ja, und jeder Rückstoß könnte eine starke innere Blutung verursachen. Schon bald würde er anfangen, Probleme mit der Schulter zu haben. Und dann wäre er als Scharfschütze wohl kaum noch zu gebrauchen.«
»Wie wär’s mit einem mittelschweren Bluter?«
»Selbst für einen mittelschweren Bluter wäre es riskant. Nein, wenn dieser Mann überhaupt an Hämophilie leidet, dann ist er ein leichter Fall.«
»Aber mit der Krankheit auskennen würde er sich trotzdem, oder?«
»Oh, durchaus. Aber er könnte sich auch selbst eine Verletzung zufügen, ohne anschließend ärztliche Versorgung zu benötigen. Einfacher Druck auf die Wunde würde ausreichen, um die Blutung zu stillen.«
Hoffer ließ sich das durch den Kopf gehen. »Wäre er auch in so einem Fall registriert?«
»Mit fast hundertprozentiger Sicherheit.«
»Und die entsprechenden Listen sind wahrscheinlich nicht...?«
Jacobs schüttelte schon den Kopf. »Wenn die Polizei einen Antrag auf Akteneinsicht stellen möchte, besteht natürlich die Chance - besonders, wenn es um die Festnahme eines Mörders geht...«
»Ja, natürlich. Dr. Jacobs, wie viele leichte Fälle gibt es?«
»In Großbritannien?« Hoffer nickte. »Rund fünfzehnhundert.«
»Von wie vielen insgesamt?«
»Grob gerechnet sechseinhalbtausend.«
»Und wie viele von diesen fünfzehnhundert können wir ausschließen?«
»Was?«
»Sie wissen schon - wie viele davon sind Kinder, wie viele Rentner, wie viele Frauen? Das dürfte doch die Gesamtzahl reduzieren.«
Jacobs lächelte. »Ich habe hier ein paar Broschüren, die Sie vielleicht lesen sollten, Mr. Hoffer.« Er zog eine Schreibtischschublade auf und fing an, darin herumzukramen.
»Was? Hab ich Blödsinn geredet?«
»Nein, es ist bloß so, dass Hämophilie nur bei Männern auftritt. Von Frauen wird sie weitergegeben, aber erkranken tun daran nur die
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