Bis das der Biss uns scheidet
als ich das Geschehene erneut durchlebe,
Ihr Gesicht wird weicher und sie steht auf und streichelt mir über die Schulter. »Es tut mir leid«, murmelt sie. »Es ist einfach alles so schrecklich. Als ich hierherkam, dachte ich, ich hätte al die Gräuel von zu Hause hinter mir gelassen. Ich dachte, ich hätte endlich eine Chance, einen Neuanfang zu machen. Doch nicht einmal hier in dieser tiefen Höhle scheint es, können wir dem langen Arm des Konsortiums entgehen.«
Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll.
Worte erscheinen so bedeutungslos.
Natürlich könnten sie versuchen, das Lager wieder aufzubauen, aber ihr Geheimnis ist jetzt keines mehr. Wahrscheinlich werden sie ihre unterirdische Heimat verlassen, ein anderes Versteck suchen und irgendwo wieder von vorn anfangen müssen.
»Eins verspreche ich dir«, schwöre ich mit zunehmender Wut. »Eines Tages werde ich das irgendwie wiedergutmachen. Pyrus wird für das bezahlen, was er euch angetan hat.«
Sie lächelt mich traurig an. Sie glaubt mir nicht, das sehe ich. Aber das spielt keine Rol e, denn ich glaube daran. Und ich werde keine Ruhe geben, bis die Gerechtigkeit gesiegt hat. Meine Schwester und al diese unschuldigen Vampire müssen gerächt werden.
Ich verabschiede mich von ihr und gehe weiter auf das Zelt zu. Ich kann mich nur noch auf den Beinen halten, weil ich weiß, dass Jareth dort ist, gesund und munter, und auf mich wartet. Dass ich mich gleich in seine Arme werfen kann und nicht mehr tapfer sein muss. Dass ich schreien und weinen und trauern kann und er da sein wird, um mich in die Arme zu nehmen und meine Tränen wegzuküssen.
»Jareth!«, rufe ich und stolpere in das Zelt.
Im ersten Moment glaube ich, das falsche erwischt zu haben, denn ich kann ihn nirgends sehen. Dann fäl t mein Blick auf ein bebendes Häufchen Elend in der hintersten Ecke. Ich eile zu ihm, werfe mich neben ihn auf den Boden und umarme ihn. »Oh, Jareth«, weine ich. »Gott sei Dank bist du okay!«
Ich warte darauf, dass er den Kopf hebt.
Dass er mich in seine starken Arme zieht.
Doch er schreckt vor meiner Berührung zurück und drückt sich nur noch enger an die Zeltwand.
»Geh weg«, knurrt er leise, aber drohend.
Ich starre ihn erschrocken an. »Was?«, flüstere ich. »Was hast du gerade gesagt?«
»Du hast schon verstanden. Hau ab.«
Okay, offensichtlich leidet er unter irgendeiner Art posttraumatischem Schock.
»Jareth, ich bin es! Rayne! Ich bin wieder da.
Es geht mir gut.« Ich beschließe, noch nichts von Sunny zu sagen. Ich wil es nicht noch schlimmer machen. Wieder probiere ich, den Arm um ihn zu legen, aber er schüttelt ihn ab.
»Bitte, lass mich einfach in Ruhe«, fleht er.
»Kommt nicht infrage!«, rufe ich. »Jareth, sieh mich an.«
Meine Stimme zittert, als ich verzweifelt versuche, zu ihm durchzudringen. Aber es ist, als hätte er eine hohe Mauer um sich gezogen, durch die niemand zu ihm gelangen kann.
»Geh nach Hause, Rayne«, flüstert er.
»Ohne dich gehe ich nirgendwohin.«
»Ich kehre nicht zurück.«
»Was? Wovon redest du da? Du musst zurückgehen!«
Plötzlich dreht Jareth sich um und seine blutunterlaufenen Augen bohren sich wie Messer in mein Herz. »Warum denn?«, fragt er mit rauer, zorniger Stimme. »Was erwartet mich denn dort? Durch meine Schuld wird der Blutzirkel aus dem Konsortium ausgeschlossen werden. Magnus wird gepfählt werden. Deine Schwester . . .«
Ich breche in Tränen aus. Grimmig starrt er mich an
»Sie ist schon tot, nicht wahr?«, sagt er tonlos. Irgendwie bringe ich ein Nicken zustande. Schockiert schüttelt er den Kopf, langsam, wie in Trance. »Wieder einmal sind meine Taten - meine falschen Entscheidungen - denen, die mir nahestehen, zum Verhängnis geworden. Genauso, wie es damals vor langer Zeit mit meiner Familie war. Magnus, deine Schwester, der Blutzirkel. Al die Vampire hier im Lager. Es wäre besser, ich wäre nie geboren worden.«
»Jareth, bitte!«, flehe ich. Seine Worte brechen mir fast das Herz. »Es ist doch nicht deine Schuld! Du kannst nicht dich für das verantwortlich machen, was Pyrus verbrochen hat!
»Nicht meine Schuld!«, ruft er empört. »Ich bin der Meister. Der General des Blutzirkels.
Meine Vampire verlassen sich darauf, dass ich die richtigen Entscheidungen treffe und für ihren Schutz sorge, was auch immer geschieht. Und was tue ich stattdessen? Ich lasse mich von meinen Gefühlen leiten, von meinen persönlichen Bindungen. Ich lasse mein Urteilsvermögen
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