Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt
meisten der Männer hatten schulterlange Haare mit merkwürdigen Spitzbärten. Sie trugen Pumphosen, die in hohen Stiefeln steckten, und ihre Ärmel bauschten sich. Sie trugen breitkrempige Hüte, die mich an Pilgerhüte erinnerten.
Ich träumte offensichtlich von einer längst vergangenen Zeit, und da die Details des Traums so lebendig waren, sollte ich zumindest eine Ahnung haben, in welche Zeit ich mich hineingeträumt hatte. Aber ich wusste es nicht. Höchstwahrscheinlich England, irgendwo zwischen dem fünfzehnten und dem achtzehnten Jahrhundert. Ich hatte dieses Jahr eine Eins in Weltgeschichte bekommen, aber historische Kleidung war in keiner unserer Prüfungen vorgekommen. Nichts an dieser Szene kam mir bekannt vor.
»Ich suche einen Mann«, sagte der Mann im Cape zu dem Wirt, der hinter einem hüfthohen Tisch stand; ich nahm an, dass er als Tresen diente. »Ich soll ihn hier heute Abend treffen, aber ich fürchte, ich kenne seinen Namen nicht.«
Der Wirt, ein kleiner Mann, kahl bis auf ein paar drahtige
Haare, die oben von seinem Kopf abstanden, musterte den Mann im Cape.
»Was zu trinken?«, fragte er und ließ dabei schartige schwarze Zahnstümpfe sehen.
Ich schluckte die Übelkeit hinunter, da sich mir beim Anblick seiner Zähne der Magen umdrehte, und trat zurück.
Der Mann im Cape zeigte nichts von derlei Abscheu. Er schüttelte nur den Kopf. »Ich muss diesen Mann so schnell wie möglich finden. Man hat mir gesagt, du könntest mir helfen.«
Das verrottete Lächeln des Wirts verschwand wieder hinter seinen Lippen. »Aye, ich kann Euch dabei helfen, ihn zu finden, Mylord. Aber vertraut einem alten Mann und trinkt erst ein oder zwei Gläser. Etwas, das Euch in einer kalten Nacht das Blut wärmt.« Er schob dem Mann ein kleines Glas hin.
Der Mann mit der Kapuze schüttelte wiederum den Kopf. »Leider habe ich es etwas eilig. Sag mir nur, wo ich ihn finden kann.« Er warf ein paar verbogene Münzen auf den Tisch.
Der Wirt steckte das Geld ein. Dann deutete er mit dem Kopf auf die Hintertür und sagte: »Er hält sich dort hinten im Wald auf. Aber mein Herr, seid vorsichtig. Es heißt, im Wald würde es spuken. Manche sagen, ein Mann, der in den Wald hineingeht, kommt niemals wieder heraus.«
Der Mann im Cape lehnte sich über den Tisch, der die beiden voneinander trennte, und sagte leise: »Ich möchte dir eine persönliche Frage stellen. Sagt dir der jüdische Monat Cheschwan etwas?«
»Ich bin kein Jude«, antwortete der Wirt ausdruckslos, aber etwas in seinen Augen verriet mir, dass ihm diese Frage nicht zum ersten Mal gestellt wurde.
»Der Mann, den ich heute Abend treffen soll, hat mir gesagt,
ich solle ihn hier in der ersten Nacht des Cheschwan aufsuchen. Er sagte, dass er mich braucht, damit ich ihm einen Dienst leiste, der zwei Wochen in Anspruch nehmen würde.«
Der Bartender rieb sich das Kinn. »Zwei Wochen sind eine lange Zeit.«
»Zu lang. Ich wäre nicht gekommen, aber ich hatte Angst vor dem, was er vielleicht tun könnte, wenn ich nicht erscheinen würde. Er hat meine Familie beim Namen genannt. Er kannte sie. Ich habe eine schöne Frau und vier Söhne. Ich möchte nicht, dass ihnen etwas zustößt.«
Der Wirt senkte die Stimme, als wollte er ein skandalöses Gerücht verbreiten. »Der Mann, den Ihr treffen wollt, ist …« Er verstummte und ließ seinen Blick misstrauisch durch den Schankraum schweifen.
»Er ist ungewöhnlich machtvoll «, vervollständigte der Mann im Cape den Satz. »Ich habe seine Kräfte bereits kennengelernt und weiß, er ist ein mächtiger Mann. Ich bin gekommen, um mit ihm zu verhandeln. Er kann doch sicher nicht erwarten, dass ich meine Pflichten und meine Familie für so lange Zeit vernachlässige. Der Mann wird sicher vernünftig sein.«
»Ich weiß nichts von der Vernunft dieses Mannes«, sagte der Wirt.
»Mein jüngster Sohn hat sich mit der Pest angesteckt«, erklärte der Mann im Cape, und ein verzweifeltes Zittern lag nun in seiner Stimme. »Die Ärzte glauben, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Meine Familie braucht mich. Mein Sohn braucht mich.«
»Trinkt etwas«, sagte der Wirt ruhig. Er schob ihm das Glas zum zweiten Mal hin.
Der Mann im Cape wandte sich brüsk vom Tisch ab und ging zur Hintertür. Ich folgte ihm.
Draußen watete ich barfuß durch den eisigen Schlamm hinter ihm her. Es regnete immer noch in Strömen, und ich musste vorsichtig gehen, um nicht auszurutschen. Ich wischte mir die Augen und sah, wie das Cape des
Weitere Kostenlose Bücher