Bis das Glück mich findet
wurde es richtig schlimm für Dominique. Sie war sicher, die Hälfte von ihnen war einfach nur neugierig und wollte herumschnüffeln, um anschließend behaupten zu können, sie hätten das Haus besichtigt. Dominique malte sich mit Grauen aus, wie sie ihre schönen bequemen Polstermöbel befingern, über ihren Geschmack bei der Wahl ihrer Badezimmerfliesen lästern und anschließend das Resümee ziehen würden, Atlantic House sei doch nicht so großartig, wie immer behauptet wurde. Sie stellte sich vor, wie sie die Gemälde an der Wand beäugen und sich fragen würden, wie viel sie wohl wert waren. (Nicht viel. Sie hatte die meisten in kleinen Galerien der Gegend erstanden, und auch wenn sie hübsch waren, war doch keines wirklich teuer gewesen.) Der Magen drehte sich ihr um bei der Vorstellung, wie die Leute an ihrer Schlafzimmertür stehen und das riesige Bett mit der exquisiten Bettwäsche begutachten würden, mit dem Gedanken, dass sie nun wohl allein darin schlief. Jetzt leidest du aber unter Wahnvorstellungen, sagte sie sich, doch gleichzeitig wusste sie, dass dem nicht wirklich so war. Jeder schnüffelte gern in den Häusern anderer Leute herum. Und jedem gefiel es, wenn sich wieder einmal das Sprichwort »Hochmut kommt vor dem Fall« bestätigte.
Sie ertrug es nicht mehr, in ihrem Haus zu wohnen. Und als der erste Tag der offenen Tür anstand, wo das Haus für jedermann zur Besichtigung geöffnet war, packten sie und Kelly ihre Siebensachen zusammen und zogen bei Lily und Maurice ein.
Lily hieß Dominique herzlich willkommen und wies ihr ihr gewohntes Zimmer zu. Dominique musste schmunzeln; sie hatte nicht mehr bei Lily übernachtet seit den Tagen, als sie noch in Dublin in Terenure gewohnt hatten und Brendans Bautätigkeit sich auf kleine Anbauten und Dachausbauten beschränkt hatte.
Kelly, die auch nach dem Einzug in Atlantic View häufig bei ihrer Großmutter übernachtet hatte, zog wie selbstverständlich in Roys ehemaligem Zimmer ein. Brendans kleiner Bruder war inzwischen Kapitän auf einem Frachtschiff und derzeit irgendwo auf dem Atlantik unterwegs, in angenehmer Entfernung von dem ganzen Familiendrama, über das er jedoch auf dem Laufenden war, weil er ständig Kontakt zu seiner Familie hielt.
»Ich dachte, wir lassen uns heute Abend was ins Haus bringen«, schlug Lily vor. »Ich habe keine Lust zu kochen, und Maurice liebt das Essen vom Inder hier am Ort, auch wenn er neuerdings davon Sodbrennen bekommt und der Arzt ihm geraten hat, auf scharf gewürztes Essen zu verzichten. Aber jetzt hat er schon so lange ausgehalten, da werden ihn ein paar Chiligerichte nicht umbringen, denke ich.«
Dominique musste lachen. Sie verstand sich prächtig mit Maurice, der, wenn auch schon in den Achtzigern, immer noch für jeden Spaß zu haben war. Obwohl ihm in den letzten Wochen das Lachen wohl ziemlich vergangen war.
Ich könnte dich umbringen, sagte sie in Gedanken zu Brendan. Ich könnte dich umbringen, für das, was du mir und deiner ganzen Familie angetan hast. Es ist mir egal, wie schlimm es für dich gekommen ist. Weglaufen war jedenfalls nicht die richtige Lösung.
Das Zusammenleben mit ihren Schwiegereltern gestaltete sich schwieriger, als Dominique erwartet hatte. Es kamen hier viel mehr Besucher ins Haus als bei ihr in Atlantic View, und so musste Dominique ständig die Tapfere spielen, wenn schon wieder einer aus Lilys Seniorenkreis an die Tür klopfte. Die älteren Herrschaften lächelten Dominique stets freundlich zu und erkundigten sich nach ihrem Befinden, ehe sie sich in die Küche verzogen oder ins Wohnzimmer oder in den Garten, für einen kleinen Plausch mit Lily. Dominique konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Lilys Bekannte viel unvoreingenommener waren als ihre eigenen. Aber andererseits war Lily eine Einheimische und kannte die meisten seit ihrer Kindheit. Die Freundschaft mit diesen Menschen hielt schon ein Leben lang an. Was man von Dominiques Freundschaften nicht behaupten konnte.
Lily hatte wieder angefangen, regelmäßig zu ihren Bingo-Abenden zu gehen, und hatte auch ihre Schwiegertochter aufgefordert mitzukommen, doch Dominique zog es vor, zu Hause bei Maurice zu bleiben. Sie bewunderte Lily, weil sie so stark war und sich traute, wieder unter die Leute zu gehen. Sie selbst schaffte das nicht. Sie glaubte immer noch, dass jeder mit dem Finger auf sie zeigte und über sie lästerte.
»Das ist Schnee von gestern, Mum«, sagte Kelly eines Nachmittags. »Die Leute
Weitere Kostenlose Bücher