Bis das Glück mich findet
dessen, was geschehen war, hatte er nicht erfasst. Jetzt, wo er zum ersten Mal seit seiner Rückkehr allein mit sich war, fing er langsam an zu begreifen.
Er hatte sich so sehr darauf gefreut, endlich wieder nach Hause fahren zu können, denn es war ihm schwergefallen, so lange allein auf sich gestellt zu sein. Jetzt wollte er wieder seine Familie um sich haben. Das Problem war nur, dass seine Familie inzwischen anderweitige Interessen hatte. Eigentlich sollte er deswegen nicht überrascht sein. Schließlich hatte er die beiden im Stich gelassen und es ihnen überlassen, wie sie damit zurechtkamen. Aber offenbar gelang es ihnen ganz gut.
Er kam nicht über die Tatsache hinweg, dass seine Frau sich eine Arbeit gesucht hatte. Er hatte ihr einfach nicht zugetraut, dass sie sich ein Herz fassen und einen Job suchen würde. Er war davon ausgegangen, dass sie und Kelly in Atlantic View wohnen bleiben und von Lily und Maurice eine gewisse finanzielle Unterstützung erhalten würden. Das wenige Bargeld, das er auf die Schnelle flüssigmachen konnte, hatte er in Kellys Buch gelegt, wobei ihm durchaus klar war, dass sie nicht weit damit kommen würden. Aber damals hatte er immer noch gehofft, in kurzer Zeit einen Ausweg aus seinem Dilemma zu finden. Doch nichts klappte so, wie er es erwartet hatte. Als dann wirklich alles den Bach runterging, hatte er das Gefühl, von einer Riesenwelle gepackt zu werden, die ihn irgendwohin trug. Er hatte wie ein Wilder gerudert und gestrampelt, ohne etwas zu erreichen. Hatte Dinge getan, ohne Sinn und Plan, einzig in dem Versuch, sich über Wasser zu halten. Und bei dem Überfall in Panama war er überzeugt gewesen, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Er würde dort einen anonymen Tod sterben, weit weg von all den Menschen, die ihm vertraut waren und am Herzen lagen.
Doch dann hatte er mit Gabriel telefoniert, und sein Schwager hatte ruhig und besonnen reagiert und ihm keine Vorwürfe gemacht.
Brendan hatte sich mit ihm in einer Hotelbar in Bocas del Toro verabredet, einem Stadtteil von Panama, an einem Tag, als es wie aus Eimern goss, sodass die Straßen sich in eine Schlammwüste verwandelten und kaum einer wagte, den Fuß vor die Tür zu setzen. Als Gabriel – der Domino in vielerlei Hinsicht ähnlich war, auch wenn sie selbst es nicht erkannte – über den gefliesten Steinboden auf ihn zuschritt und sich dabei die Regentropfen aus dem dunklen Haar schüttelte, spürte Brendan erleichtert, dass er doch nicht so mutterseelenallein war, wie er gedacht hatte.
Gabriel erstattete ihm ausführlich Bericht darüber, was passiert war, nachdem er nach Brendans Verschwinden zu seiner Schwester nach Atlantic View gefahren war. Dass für Dominique eine Welt zusammengebrochen war und die ganze Familie unter Schock stand. Er schilderte ihm all die persönlichen Details, die sich hinter den offiziellen Schlagzeilen verbargen – etwa wie Dominique ihren gesamten Schmuck auf den Tisch gelegt und dann entschieden hatte, welche Stücke sie behalten konnte (den kleinen Brillanten an der Weißgoldkette und das Medaillon, das sie Kelly zum einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte); oder wie er Kelly in dem ledernen Schreibtischsessel in Brendans Büro vorgefunden hatte, die Augen geschlossen, weil sie, wie sie erklärte, versuchen wollte zu spüren, wo ihr Vater sich aufhielt; oder wie Lily kannenweise Tee gekocht hatte, um ihre Besucher ein wenig aufzumuntern, obwohl sie selbst am Boden zerstört war.
An dieser Stelle hatte Brendan geweint und sich vorgeworfen, ein furchtbares, gotterbärmliches Chaos angerichtet zu haben. Dann entschuldigte er sich bei Gabriel für seine Wortwahl, doch Gabriel erwiderte, im Moment könne er alles sagen, wozu er Lust habe, denn es spiele ohnehin keine Rolle mehr – außerdem sei es in der Tat ein gotterbärmliches Chaos. Brendan fand es schade, dass Gabriel kein Priester mehr war, denn dann hätte er bei ihm beichten können, woraufhin Gabriel ihm erwiderte, die Beichte selbst sei nicht so wichtig, was einzig und allein zähle, sei die Reue. Aber selbstverständlich bereue er, versicherte Brendan, und wie! Es tue ihm leid, das Leben so vieler Menschen ruiniert zu haben. Gabriel erwiderte, vielleicht sei es nun an der Zeit, dass Brendan heimkehre, um sich seinen Problemen zu stellen. Auch wenn es hart auf hart komme, so sei ihm doch die Unterstützung der ganzen Familie sicher, die trotz allem nach wie vor hinter ihm stehe. Er könne dies behaupten,
Weitere Kostenlose Bücher