Bis das Glück mich findet
musste, mehr nicht. Und ich bin immer noch …« Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen und schluckte, ehe sie fortfuhr: »Ich habe immer noch eine Stinkwut auf Brendan. Wenn du die Wahrheit hören willst – ich weiß nicht, ob ich ihm vergeben kann.«
»Du musst nach vorn blicken«, erwiderte Gabriel. »Die Vergangenheit hinter dir lassen.«
»Das weiß ich«, erwiderte sie. »Und das Problem ist, dass ich genau das getan habe, während Brendan weg war, ich habe die Vergangenheit hinter mir gelassen und einen Riesenschritt nach vorn gemacht.«
»Weg von ihm?«
»Weg davon, von ihm abhängig zu sein.«
»Was ist mit deiner Ehe?« Gabriel schaute seine Schwester fragend an. »Wird sie das aushalten? Was ist mit dem Mann, mit dem du ein paarmal ausgegangen bist?«
»Paddy.« Dominique schaute versonnen in ihre Kaffeetasse. »Ich habe mich seit Brendans Rückkehr kein einziges Mal mehr mit ihm getroffen. Er hat ein-, zweimal angerufen, um sich zu erkundigen, wie es mir geht. Er ist ein netter Kerl.«
»Höre ich da ein ›Aber‹?«
»Aber ich bin derzeit sehr verunsichert, was Männer angeht. Egal, ob sie nett sind oder nicht. Ob ich nun mit ihnen verheiratet bin oder nicht.«
»Nun, hör mal, Domino, was du auch vorhast … wenn du Hilfe brauchst oder einen Rat oder sonst was …, ruf mich einfach an.«
Schweigend trank sie einen Schluck Kaffee.
»Zugegeben, ich bin nicht gerade ein Experte, was solche Ratschläge angeht. Und ich weiß, dass du mir immer noch böse bist wegen Emma«, fuhr Gabriel fort. »Aber ich kann mit den Problemen von anderen viel besser umgehen als mit meinen eigenen.«
»Ich bin dir nicht böse«, erwiderte Dominique. »Enttäuscht trifft es vielleicht eher. All die Jahre habe ich geglaubt, dass du der Einzige bist, der immer alles richtig macht, in jeder Situation. Ich war deswegen ziemlich sauer auf dich, ehrlich gesagt. Aber diese Eigenschaft von dir, dass du immer gut und richtig gehandelt hast, hat meinem Leben Halt gegeben, auch wenn ich es nicht gern zugegeben habe; und plötzlich warst du ein ganz anderer geworden.«
Gabriel nickte. »Ich dachte auch, dass ich so ein Mensch bin. Und auch wenn ich mich an diesem besagten Tag immer wieder ermahnte, auf keinen Fall mit ihr ins Bett zu gehen, sagte eine andere Stimme in mir, warum eigentlich nicht? Ich weiß natürlich, warum ich es nicht hätte tun dürfen, aber in diesem irren, wahnwitzigen Moment hatte ich einfach keine andere Wahl.«
»Du hast immer zu mir gesagt, dass man stets eine andere Wahl hat. Du hast gesagt, es ist eine schäbige Ausrede, wenn Menschen so etwas behaupten.«
»Das war ziemlich vermessen von mir«, sagte Gabriel schlicht. »Ich weiß nur, dass ich damals, als ich in diesem Hotelzimmer mit Emma allein war, an nichts anderes denken konnte als daran, mit ihr ins Bett zu gehen.«
»Aber warum gerade zu diesem Zeitpunkt?«, fragte Dominique. »Du hast sie früher abgewiesen. Was hatte sich verändert?«
»Ich hatte mich verändert«, erwiderte Gabriel. »Oh, Domino, du hast keine Ahnung, welcher Mensch ich früher war. Ich fand, ich hatte in allem recht. Ich glaubte mich gesegnet. Ich habe immer gedacht, ich weiß alles besser, weil Gott mich lenkt. Ich hielt mich für etwas Besonderes. Ich habe mir eingebildet, ich würde über all diesen kleinen banalen Sehnsüchten stehen.« Er lächelte unsicher. »Es fiel mir leicht, so zu denken, als ich noch studiert habe. Selbst in dem Priesterseminar, wo es aus tausend Gründen ziemlich problematisch werden kann. Aber es ging mir gut dort, ich war Gabriel Brady und wusste genau, was ich vom Leben wollte. Und dann wurde mir eine eigene Pfarrei zugewiesen, und zum ersten Mal bekam ich richtig Zugang zu den Menschen. Es gab da eine Frau, die hatte ihren Mann verloren. Er war erst sechzig Jahre alt. Sie waren dreißig Jahre miteinander verheiratet. Die Frau war todunglücklich. Untröstlich. Wie sie mir erzählte, hatte sie ein wunderschönes Leben mit ihm gehabt. Er war ihre große Liebe. ›Ach, Father‹, sagte sie. ›Ich hatte vor ihm zwei andere Männer. Aber geliebt habe ich nur ihn.‹ Dann schaute sie mich an, als erwartete sie, dass ich nun entrüstet wäre, weil sie mit anderen Männern geschlafen hatte, aber ich war es nicht. Ich hatte furchtbar Mitleid mit ihr und musste immer daran denken, wie es wohl sein musste, einen anderen Menschen so sehr zu lieben und dann zu verlieren. Gott, nun ja, Gott kann man natürlich niemals verlieren. Aber
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