Bis das Glück mich findet
Großstadtpflänzchen.«
Greg Delahaye war sechs Jahre jünger als sein Bruder. Er war etwas schüchterner und zurückhaltender als Brendan, doch nichtsdestotrotz umarmte er Dominique zur Begrüßung und meinte, sie hätten schon so viel von ihr gehört und deshalb freue er sich, sie endlich kennenzulernen. Dominique wurde bewusst, dass sie sich zum ersten Mal, seit sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, wirklich entspannen konnte, während sie in Gregs Wagen saß, dem Geplauder der beiden Brüder lauschte und sie in Richtung des kleinen Küstenstädtchens Castlecannon fuhren, wo die Delahayes seit Generationen ansässig waren und die Familie ein Haus besaß. Greg erinnerte sie an ihren eigenen Bruder Gabriel, allerdings fehlte ihm dessen gelassene Selbstsicherheit. Er war ein freundlicher junger Mann, der sich bemühte, sie in seine Unterhaltung mit Brendan einzubeziehen, doch da es dabei größtenteils um die Geschicke der diversen Gaelic-Football- und Hurling-Teams im County Cork ging, sah Dominique sich außerstande, irgendetwas Kluges dazu beizutragen. Aber ein paar witzige Bemerkungen über diese Hinterwäldler-Sportarten brachte sie doch an, die Greg zum Lachen und Brendan zu der Bemerkung veranlassten, er werde sie schon noch bekehren. Trotz des unbeschwerten Geplauders während der Fahrt wuchs ihre Anspannung, als sie schließlich das Haus der Delahayes erreichten. Etwas verzagt nahm sie ihre kleine Reisetasche und wartete, dass Brendan die Haustür aufsperrte.
Sie folgte Brendan und Greg in eine geräumige Diele und weiter in ein großes, freundliches, von Sonnenlicht durchflutetes Wohnzimmer, durch dessen riesiges Panoramafenster man den Atlantik sehen konnte. Auf die obere Hälfte der Wände hatte man in Wischtechnik einen blassen Orangeton aufgetragen, der das Sonnenlicht reflektierte, während die untere in einem Mauveton tapeziert war. Eine breite dekorative Bordüre verband die beiden Bereiche miteinander. Der Boden war mit einem orangefarbenen, mit kleinen malvenfarbenen Wirbeln durchsetzten Spannteppich belegt, während die in einem Mauveton gehaltenen Vorhänge orangefarbene Sprenkel hatten. Ein großes Ölgemälde mit einem Segelschiff darauf zierte die Wand über dem Kaminsims, an den übrigen Wänden hingen zahlreiche gerahmte Familienfotos. Der Raum hätte unterschiedlicher nicht sein können zu der Wohnzimmer-Tristesse im Haus der Bradys in Drimnagh mit der blässlichen Blumentapete und dem grauen Teppichboden.
»Sie müssen Domino sein, herzlich willkommen.« Die Frau, die auf der malvenfarbenen Couch gesessen und in einer Illustrierten geblättert hatte, erhob sich. Sie war hochgewachsen und trug einen rot-weißen Hausanzug und weiße Turnschuhe. Sie hatte kurzes, dauergewelltes Haar, und ihre Brille ähnelte der von Dominique, nur dass die Fassung blau war.
»Mrs Delahaye?«, sagte Dominique schüchtern.
»Nennen Sie mich Lily«, erwiderte die andere Frau. »Aber sagen wir doch Du zueinander. Wenn ich Mrs Delahaye höre, fühle ich mich augenblicklich um Jahre gealtert.«
Dominique wusste, Brendans Mutter war um einiges älter als ihre eigene, aber man sah es ihr nicht an. Obwohl Lily Delahaye mehr Falten im Gesicht hatte als Evelyn, ließen ihr offenes, freundliches Lächeln und ihr gut geschminktes Gesicht ihre Jahre vergessen.
»Und das ist Maurice.« Lily deutete auf den Mann, der gerade durch eine zweite Tür ins Zimmer gekommen war. »Brendans Vater.«
Maurice Delahaye war eine ältere Version seines Sohnes. Er hatte den gleichen kräftigen Körperbau, das gleiche lockige Haar, die gleichen blauen Augen. Zwar war sein Gesicht rau und wettergegerbt, und graue Strähnen durchzogen sein Haar, dennoch sah man auf den ersten Blick, dass sie Vater und Sohn waren. Während Dominique zuschaute, wie die beiden sich umarmten, durchzuckte sie auf einmal der Gedanke, dass sie nun dazugehörte, dass sie durch das Baby in ihrem Bauch mit ihnen verbunden war. Sie malte sich aus, wie ihr Kind einmal mit den beiden Männern den Strand entlanglaufen würde; wie es mit ihnen auf einem Felsen sitzen oder durch die Stadt spazieren würde.
»Freut mich sehr.« Maurice schüttelte ihr zur Begrüßung die Hand.
»June und Barry wollen später auch vorbeikommen, wir werden zusammen zu Abend essen«, verkündete Lily. »Roy ist mit dem Boot rausgefahren, wird aber bald zurück sein.«
June war, wie Dominique wusste, Brendans Schwester, ein paar Jahre jünger als er, und Barry war ihr Ehemann.
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