Bis das Herz brennt - die inoffizielle RAMMSTEIN Biografie
aufgenommen wurden, mitbekommen, denn Paul und Richard lieferten auch hier eine harte Gitarrenwand. Die treibende rhythmische Struktur blieb, wenn auch die Lieder eingängiger und durch die neuen elektronischen Klangfarben vielseitiger und um einiges raffinierter daherkamen.
An den Texten änderte sich hingegen so gut wie nichts. Auch auf „Sehnsucht“, wie Rammstein den Debütnachfolger nannten, hielten Sie an dem Konzept der provokanten Inhalte fest. Till beschreibt z. B. in „Tier“, wie ein Vater seine Tochter sexuell missbraucht, indem er sie vergewaltigt, und diese Tochter ihn dann später tötet. Und in „Spiel mit mir“ stellt er den Inzest zwischen zwei Brüdern dar. Damit griff er Tabuthemen auf, was natürlich etliche empörte Kritiken nach sich zog. Und hinzu kam, dass der Rammstein-Frontmann erneut in der Ich-Form sang, sodass mit einigen Songs sozusagen der Täter direkt zum Zuhörer sprach.
Andere Lieder gewährten Einblicke in kalte sexuelle Fantasien des Texters wie beim Stück „Bück dich“, in dem der Sänger mitteilt, dass ihm beim Liebesspiel gleichgültig ist, mit wem er es zu tun hat. Hauptsache, er wird befriedigt. Noch eine Spur härter geht es in „Bestrafe mich“ zu, in dem Sado-Maso-Praktiken geschildert werden. Über die reine animalische Lust singt Till in erotisch-anstößigen Stücken wie „Sehnsucht“ und „Küss mich (Fellfrosch)“. Letzteres ist eine „Hymne auf das primäre weibliche Geschlechtsorgan“, wie in
Musikexpress/Sounds
in der Ausgabe 09/97 zu lesen war. Für diese Ausgabe des Musikmagazins gab die Band ein Interview, und Till sagte über „Fellfrosch“: „Allein das Wort ist schon eine Hommage an diesen Körperteil. Das ist eine schöne, kindliche Sichtweise: Fell steht für kleine, pelzige Tierchen. Hamster, Meerschweinchen und so. Und Frosch oder Schnecke sorgen für den zweiten Teil. Faszination und Ekel, beides spielt da eine Rolle.“ Auf den Hinweis des Interviewers, dass Feministinnen „Fellfrosch“ wahrscheinlich kritisieren würden, antwortete Till: „Hoffentlich! (…) Es geht um eine Sache, die völlig selbstverständlich ist, die jeder kennt. Das ist doch das Normalste auf der Welt. Übertriebener Feminismus ist ein Armutszeugnis. Und wenn sie sich dann darüber aufregen, ist das für mich nur ein Beweis dafür, dass sie keinen Humor haben. Neulich hat mir erst wieder jemand einen Witz über einen 40-Zentimeter-Pimmel erzählt. Es war eine Frau.“
An gleicher Stelle äußert sich der Sänger und Texter der Gruppe auch über eines der kritischen Stücke des Albums, den Song „Du hast“, der die hochheilige Institution Ehe demontiert, indem er Zweifel deutlich macht, dass sich zwei Menschen bis zu ihrem Tod treu sein können und zusammenbleiben: „‚Willst du, bis der Tod euch scheidet … – das ist doch genauso unnatürlich wie ein Tattoo auf dem Arm. Das geht bis zum Rest meines Lebens nicht mehr raus. Irgendwann sitze ich als Rentner da mit meinem Enkel auf dem Schoß, und der fragt, was ich da für ein albernes Ding auf dem Oberarm habe.“
Nachdem die Textinhalte und die Musik zueinander gefunden hatten und die Songs schließlich fertig aufgenommen und produziert waren, stellte sich wieder die Frage nach der Optik der Verpackung. Noch einmal wollte die Band kein so simpel gestaltetes Cover wie bei „Herzeleid“.
Diesmal engagierte die Band den österreichischen Fotografen und Maler Gottfried Helnwein, der Bühnenbilder für Maximilian Schell, Jürgen Flimm, Hans Kresnik, Gregor Seyffert und auch den Rammstein-Inszenator Gert Hof entworfen hat. Helnwein, der wegen seiner Nähe zur Sekte Scientology kritisch von der Öffentlichkeit beäugt wurde, hatte außerdem 1982 das Cover des Albums „Blackout“ der Hard-Rock-Combo Scorpions gestaltet. Und genau das war auch die Aufgabe Helnweins bei „Sehnsucht“: Bei der Motivauswahl für das Cover griff der Künstler auf die 1970er Jahre zurück, als er durch seine Bilder von verletzten und bandagierten Kindern bekannt wurde. Er schminkte die Bandmitglieder im Gesicht weiß, versah die Köpfe mit Drahtgestellen, die sich in die Haut bohren und an mittelalterliche Maulkörbe und Folterinstrumente erinnern. So gestaltet, machte er Porträtfotos der einzelnen Musiker, die allesamt auf der einen Seite des ausklappbaren Booklets zu finden sind. Auf der anderen Seite ist im krassen Kontrast zur Schockwirkung dieser erschreckenden Motive ein paradiesisch karibischer, strahlend
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