Bis das Herz brennt - die inoffizielle RAMMSTEIN Biografie
alleinigen Arroganz-Anspruch zu besitzen. Dabei begegnet Till Lindemann den teilweise gigantischen Freilichtarenen nicht mit lähmender Furcht, sondern mit gesundem Selbstvertrauen. Für ihn sind Auftritte dort in erster Linie eine Herausforderung.
Eine Herausforderung im Übrigen nicht nur für die Band, sondern „inzwischen für mehr als 100 aktiv Beteiligte“, wie Christoph Schneider beim Interview auf der DVD erstaunt feststellt. „So viele Arbeitsplätze für zwei Stunden Show, das ist schon faszinierend“, fügt er an dieser Stelle hinzu.
Rammstein-Shows leben Abend für Abend von ihrer perfekt inszenierten Choreografie. Trotzdem beschleicht speziell Till, wie er Regisseurin Mathilde Bonnefoy gestand, regelmäßig die Angst, dass irgendwas bei der Show nicht klappt, dass er oder eines der anderen Rammstein-Mitglieder patzt. Und Flake gibt zu, dass viele Elemente auf der Bühne „eher unangenehm“ sind.
So kann man beispielsweise das Pech haben, mit den glühend heißen Funken von Lindemanns Feuerrad verbrannt zu werden. Auch Haare werden immer mal wieder abgefackelt. Ausrutschen sollte man möglichst auch nicht, weil der sonst straff ausgearbeitet Ablauf durcheinander gerät. Dennoch, wenn man nach zwei Stunden Schwerstarbeit von der Bühne wankt, ist man „zwar erschöpft, aber dabei vollkommen glücklich. Das erste Bier nach einem Gig ist das beste der Welt“, bekennen die sechs unisono.
Für Manager „Emu“ ist der geballte Einsatz von Licht der wichtigste Aspekt. Fialik behauptet überzeugt, dass die einzigartige Pyro-Show etwa bei Rammstein nicht lediglich Dekoration ist, sondern eine optische und durch die Geräusche gleichzeitig klangliche Ergänzung des großen Ganzen. Außerdem, so „Emu“, wären Rammstein ohne ihre Lightshow als Gesamtkunstwerk weit weniger verständlich.
So grandios die Shows rüberkommen mögen, die „Rammsteiner“ legen in der DVD-Doku durch die Bank gesteigerten Wert auf die Feststellung, dass auf der Bühne sechs imaginäre Charaktere zu sehen sind, die mit Till & Co. privat wenig bis gar nichts zu tun haben. „Wir spielen eine Rolle, mehr ist nicht“, sagen sie alle mit Nachdruck.
Unterschiedlich ist das Verhalten der einzelnen Band-Mitstreiter während einer Show. Paul Landers etwa verriet der DVD-Regisseurin, dass er sich gern eine Person im Publikum aussucht, mit der er möglichst den ganzen Abend über Blickkontakt hält – am liebsten mit einem hübschen Mädchen, wie er feixend hinzufügt. Dieser Umstand beruhigt seine Nerven. Sänger Till ist das genaue Gegenteil von Paul, ihn würde der Kontakt zu einem ihm Wildfremden stark verunsichern.
Punktum: „Anakonda im Netz“ vermittelt geballt persönliche Eindrücke, wie eine gigantische Show entsteht und Nacht für Nacht grandios zelebriert wird. Alle sechs Gruppenmitglieder stellen fest, dass sie im Laufe der Jahre gelernt haben, während eines Live-Auftritts ausschließlich im Moment und bei voller Konzentration zu agieren.
Mathilde Bonnefoy durfte auch hinter den Kulissen und unmittelbar vor einem Auftritt ihren Kameramann filmen lassen. So ist sie etwa beim Ritual des „Schützen-Schnaps“ dabei: Die Gruppe genehmigt sich wenige Minuten vor jedem Gig ein Glas Tequila, als Aufwärm-Kick. Außerdem erfährt man, dass Till vor jedem Konzert zur Aufmunterung immer dasselbe mexikanische Mariachi-Lied aus den Lautsprechern dröhnen lässt.
Es sind viele solcher kleinen Erlebnisse, die miteinander kombiniert letztlich das große Ganze, Gewaltige eines Rammstein-Konzerts ermöglichen. Manager „Emu“ ist überzeugt, das Erfolgsgeheimnis seiner Schützlinge liegt in den Episoden, die man gemeinsam in den unterschiedlichsten Winkeln dieser Welt erlebt hat. Es ist dieses unbedingte Zusammengehörigkeitsgefühl, welches diese Gruppe zusammengeschweißt hat und weiter zusammenschweißt, ohne dass die Mitglieder dabei ihre Persönlichkeiten aufgegeben hätten. Nur deshalb kann dieses Hymnische, dieses kollektive Erlebnis, diese faszinierende Gleichschaltung der Gefühle bei Rammstein-Konzerten entstehen. Dies ist die Haupterkenntnis von „Anakonda im Netz“.
Der zweite Teil auf jener DVD nennt sich „Making Of the Album ‚Reise, Reise‘ “. Dabei handelt es sich um die filmischen Dokumente einer Art Kreativurlaub der Band. Man bekommt recht intime Einblicke dieses „Urlaubs“ vermittelt, doch das verwundert nicht, wenn man weiß, wer dabei die Kamera bedient hat: Gitarrist Paul Landers.
Paul
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