Bis dass der Tod uns scheidet
Serviette, die vom Frühstück übrig geblieben war, und sagte: »Nathan Chambers, bitte.«
»Und Sie sind?«, fragte Ms. Diaz ohne erkennbaren Akzent.
»Leonid McGill«, antwortete ich. »Ich bin im Namen seiner Tochter hier und möchte mit ihm etwas Geschäftliches klären.«
Die kupferfarbene Frau lächelte zum ersten Mal.
»Chrystal«, sagte sie.
»Shawna«, korrigierte ich sie.
Das Lächeln verschwand.
»Und worum geht es?«
»Shawna möchte, dass ich ihren Vater nach Chrystal und ihrem Bruder Tally befrage. Sie hat vergeblich versucht, mit beiden Kontakt aufzunehmen. Sie dachte, vielleicht hätte Mr. Chambers eine Idee, wo sie sein könnten.«
»Warum ist sie nicht selbst hergekommen?«
»Sie ist indisponiert.«
»Weder Chrystal noch Tally sind in letzter Zeit hier gewesen«, verkündete die Zerbera.
Ich war ein wenig überrascht, dass sie sich so sicher war. Es gab offenkundig eine ganze Reihe Bewohner im Haus. Woher wusste sie so genau über die Gäste eines einzelnen Mannes Bescheid?
»Ist Mr. Chambers zu beschäftigt, um Gäste zu empfangen?«, fragte ich.
»Ich habe Ihre Frage beantwortet«, erklärte Ms. Diaz stur.
Aus einer Eingebung heraus sagte ich: »Haben Sie in Ihrem Rolodex eine Telefonnummer von Cyril Tyler?«
»Wie bitte?«
»Wenn nicht, gebe ich sie Ihnen. Ich möchte, dass Sie ihn anrufen. Sagen Sie ihm, dass Sie Leonid McGill den Zutritt verweigern.«
Ein Ruck fuhr über das wütende Gesicht der schlanken Frau. Sie wirbelte auf ihrem Stuhl herum und griff nach einem Telefon. Ich konnte nicht hören, was sie sagte, auch nicht erraten, mit wem sie sprach. Nach etwa einer Minute drehte sie sich wieder zu mir um.
»Mr. Chambers wird gleich unten sein. Sie können sich in den Besucherbereich setzen.«
Ich wählte ein oranges Sofa in der Nähe des Südfensters. Der Boden lag etwas über Straßenniveau, ich konnte von den Passanten, die vorbeikamen, nur Köpfe und Schultern sehen. Ich dachte, Tally hätte hier seinen Spaß gehabt, die Hunderte von Gesichtern vorbeimarschieren zu sehen.
Ich hatte ein weiches Herz für verlorene junge Männer. Sie waren wie ich damals, als mein Vater in irgendeiner südamerikanischen Revolution ums Leben kam und meine Mutter an gebrochenem Herzen starb. Sehr lange hatte ich mein Geld damit verdient, junge Männer wie Tally zu vernichten. Jetzt versuchte ich, sie zu retten – aber das kam auf dasselbe heraus.
»Entschuldigung«, sagte eine Stimme.
Mr. Chambers trug einen Schlafanzug, der so hellblau war, dass man ihn mit weiß hätte verwechseln können. Das Nachtzeug war alt und stellenweise fadenscheinig. Aber es war sauber, und der Mann war kräftig. Eins zweiundsiebzig, ahornbraun, noch keine siebzig. Er lächelte nicht, runzelte nicht die Stirn, zeigte auch keinerlei andere Gefühle außer leichter Neugier.
»Mr. Chambers?«, fragte ich, stand auf und reichte ihm die Hand.
Sein Handschlag war ebenfalls kräftig. Er hatte mehr Haare auf dem Kopf als ich. Ein flüchtiger Beobachter hätte uns beide sicher für gleich alt gehalten.
»Sie scheinen überrascht«, sagte er. »Haben Sie jemand anderen erwartet?«
Ich setzte mich, er nahm neben mir Platz.
»Nein, es ist nur, ich bin überrascht, dass ein so gesunder Mann wie Sie an einem solchen Ort lebt.«
Chambers grinste und zeigte mir einen Mund voller ungepflegter, aber ansonsten stark wirkender Zähne.
»Das ist ein Altenwohnheim, junger Mann, kein Pflegeheim. Ich bin hier, weil die Rentenkasse dafür zahlt und ich sonst keine andere Bleibe habe. Geht das Schiff im Sturm unter, rettet man sich auf die erste Insel, die sich einem bietet.«
Ich konnte im Gesicht des älteren Mannes Tallys Züge entdecken.
Eine graue Maus huschte an der Kante der Fensterfront entlang, blieb einen Augenblick stehen, um uns zu mustern, und eilte dann davon. Nathan sah, dass ich das Nagetier bemerkt hatte.
»Süße kleine Dinger«, sagte er. »Auf den Frachtschiffen, auf denen ich gearbeitet habe, hatte ihre Verwandtschaft, Bruder Ratte, stets eine Koje. Die Segelschiffe früher besiedelten die Welt mit Menschen und Ratten.«
»Ich wollte Ihnen ein paar Fragen stellen, Mr. Chambers.«
»Nennen Sie mich Nate.«
»Nate«, sagte ich. »Ich bin LT, Leonid McGill, Privatdetektiv.«
»Ach?«
»Ich arbeite für Ihre Tochter.«
»Chrystal?«
»Shawna.«
»Shawnie? Woher hat sie das Geld, Sie zu bezahlen?«
»Das weiß ich nicht«, musste ich einräumen.
»Ein russischer Name, Leonid.«
»Ja,
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