Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
Vom Netzwerk:
Sir.«
    »Sie hören sich nicht russisch an.«
    »Mein Vater war ein Landpächter, der Kommunist wurde.«
    »Diese Neger machen doch die verrücktesten Sachen«, meinte Nathan Chambers. »Da denkt man, man hat sie endlich in Slums und Gefängnissen eingepfercht, da drehen die sich um wie diese Maus da oder die Ratte und gehen nach China und eröffnen eine Pizzeria. Was will Shawnie?«
    »Sie ist in mein Büro gekommen und hat gesagt, ihre Schwester würde vermisst, und Cyril, ihr Mann plane, sie, also Chrystal, umzubringen. Shawna wollte, dass ich den Mann davon abbringe, aber als ich zu ihm ging, erklärte er, er würde Ihre Tochter lieben und keiner Fliege was zuleide tun.«
    Einen Augenblick lang verging dem Rentner die Lust an Konversation. Sein Gesicht wurde ernst, und er grübelte.
    »Ich liebe Shawnie«, erklärte er schließlich, »aber sie ist ein Fiasko. Sechs Kinder von ebenso vielen Männern, und sie zieht von einem Ort zum anderen. Sie können sie genauso gut in einer katholischen Kirchenbank finden wie in einer Opiumhöhle. Seit ein paar Jahren lebt sie nun in dieser Kommune und zieht umher. Die sind wie so ein wilder Stamm in Südamerika, glauben, der ganze Kontinent gehört ihnen – steuerfrei.«
    »Ihr Sohn Theodore glaubt, sie lügt wegen irgendetwas«, sagte ich.
    »Wir lügen doch alle«, räumte ihr Vater ein. »Ein Kind, das nicht lügt, schafft nie die Sonntagsschule.«
    »Warum würde denn Shawna wegen Chrystal lügen?«
    »Chrystal hat nach dem Messingring gegriffen und Platin erhascht«, antwortete er und sah mir in die Augen. »Shawnie ist vom Karussellpferd gefallen. Seit dem Tag ihrer Geburt müht sie sich ab. Fragen Sie mich nicht warum. Aber sie liebt ihre Schwester. Das ist Fakt. Was ist an der auch nicht zu lieben? Chrystal wollte Schweißer werden, wie ihr alter Herr in der Handelsmarine. Ich sagte ihr, das könne sie nicht, und sie meinte, ich würde mich irren. Ich will verdammt sein, wenn sie nicht recht hatte.«
    »Tally meinte, er habe Sie um das Werkzeug gebeten, um Stahl zu bemalen.«
    »Ach?«, machte Nate. »Na ja, vielleicht. Aber wissen Sie, Tally hat ruhelose Hände. Football, Baseball … auf Stahl malen. Das hat er alles versucht, Chrystal hat sich nur um eins gekümmert.«
    »Haben Sie von ihr gehört?«
    »Montag vor zwei Wochen ist sie vorbeigekommen. Hat mir Walnusskaramell und ein kleines Stück Stahl mitgebracht. Sie meinte, als leere Leinwand für mich, falls ich eine Ausstellung mit ihr machen wolle. Hm-hm. Sie ist eine gute Tochter. Die beste.«
    »Glauben Sie, ihre Mutter könnte was über sie wissen?«, warf ich bei der Handelsmarine meinen Köder aus.
    »Azure?« Er sprach den Namen dreisilbig aus. »Weiß nicht. Ich hab meine Frau schon seit drei Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Sie ist nur ein paar Blocks von hier entfernt, oder?« Wenn Nate ein Freund von mir gewesen wäre, dann hätte ich nichts gesagt, aber das war nun mal mein Job.
    »Ich möchte sie gerne sehen, wirklich, aber sie hat es mit den Nerven. Wenn man sich nicht ganz richtig verhält, dreht sie tagelang durch. Ich bringe ihr jeden Dienstag Blumen, jeden Dienstag. Eine Miss Rogers am Empfang nimmt sie und sagt mir dann, was sie die Woche zuvor schon gesagt hat. Ich liebe meine Frau und meine Kinder, Mr. McGill.«
    Das nahm ich ihm ab.
    »Auf See habe ich gelernt«, fuhr er fort, »dass ein Schwarzer seinen Kopf nicht hängen lassen muss, er kann genauso große Träume haben wie jeder Weiße oder Brahmane, Aztekenprinzessin oder Zigeunerkönig. Ich habe meinen Kindern die Art von Träumen mitgegeben, nach denen sie leben können, aber Träume sind wie das Meer, Mr. McGill. Wenn sie überhaupt etwas taugen, dann sind sie größer als der Träumer. Und manchmal, wenn der, der träumt, so groß werden will wie das, was er sich ausmalt, reißen ihn die Wellen in die Tiefe.«
    Die Worte umspülten mich wie das Meer, das sie beschworen. Ich schob den Eindruck, den das auf mich machte, für diesmal beiseite, denn ich hatte einen Job zu erledigen.
    »Wissen Sie, wo ich Shawna finden kann?«, fragte ich.
    »Nein, Sir. Nein, Sir, das weiß ich nicht. Ich suche nie nach Shawnie. Wissen Sie, ein Mann, der Ärger sucht, wird ihn auch ganz bestimmt finden.«

16
    Auf der Straße kam ich mir wieder vor wie ein Jugendlicher – auf der Flucht, unter dem Radar des Pflegeheim-Systems. Grund dafür war die kaputte Familie, die fehlende Schwester, die Worte von Nathan Chambers.
    All die Jahre hatte ich meinen

Weitere Kostenlose Bücher