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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Vater wegen seiner laserscharfen Wahrnehmung und dann wegen seines plötzlichen Verschwindens gehasst, und diese paar Worte hatten gereicht, um ihn mir auf eine Weise zu erklären, die der Zwölfjährige in mir verstehen konnte. Träume sind wie das Meer, und manchmal reißen sie den Träumer in die Tiefe.
    Nur ein paar Blocks vom Schmidt Home entfernt, der Adresse von Azure Freshstone-Chambers, stieß ich auf einen heruntergekommenen Park, eigentlich nur ein Fleckchen Beton, bar jeder Vegetation, mit drei im Halbkreis angeordneten Bänken, so dass man hinausschauen konnte. Eine dieser Bänke wurde von einem Straßenbewohner blockiert, mit Einkaufswagen, drei Koffern und mindestens acht säuberlich aufgereihten und aufeinandergestapelten hellen Plastiktüten. Ich konnte nicht erkennen, ob der winterlich bekleidete Obdachlose männlich oder weiblich, schwarz oder weiß war. Aber diese Einzelheiten waren auch nicht wichtig. Ich setzte mich hin, sah auf den Hudson hinaus, nahm ihn aber nicht wahr.
    Fünf Worte, und meine ganze Vergangenheit stand kopf, so wie Hegel, nachdem Marx mit ihm fertig war, wie mein Vater immer gesagt hatte. Dieser nur wenig ältere Mann, der sich selbst vorhielt, seine eigenen Kinder mit einem ähnlichen Licht geblendet zu haben, entriss mir regelrecht die Möglichkeit, meinem Vater für dessen Unfähigkeit zu verzeihen.
    Ich konnte meinen Sitznachbarn riechen. Es stank muffig, staubig, aber satt wie Lehm. Ich dachte an nichts Besonderes. Nate ließ mir keinen Raum für Mutmaßungen, und nun saß ich da und schlug mich mit Konsequenzen herum, von denen er nicht wusste, dass er sie über mich gebracht hatte.
    Ich musste weiter an dem Fall arbeiten, aber im Augenblick hatte ich dafür keinen Gedanken übrig. Ich hätte noch stundenlang neben diesem duftenden Phantom sitzen können, wenn mein Handy nicht geklingelt hätte.
    Es war das Grummeln eines Bären, ein Fremder – vielleicht.
    »Hallo.«
    »Was ist los, Lenny?«, fragte Harris Vartan. »Du klingst aufgebracht.«
    Die Flut meiner Gedanken wich zurück. Vartan war eine ganz andere Art von Naturgewalt.
    »Ich werde den Kerl suchen«, sagte ich.
    »Das weiß ich zu schätzen.«
    »Verrate mir mal etwas, Onkel Harry.«
    »Was denn, Lenny?«
    »Hast du mit meinem Vater gesprochen, bevor er zum letzten Mal das Land verließ?«
    »Ja.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Dass er nicht gehen wollte, aber nicht wusste, wie er bei allem, was er wusste, bleiben sollte.«
    »Ja«, meinte ich. »Stimmt. Stimmt.«
    »Ich habe ihn angefleht zu bleiben«, erklärte Harris. »Ich habe ihm gesagt, was passieren würde, wenn er ums Leben käme.«
    »Und«, fragte ich, »was hast du für mich?«
    Es gab nur eine kurze Pause in der Leitung, Harris nahm Rücksicht auf meinen Kummer, von dem er wusste.
    »Corinthia Mildred Highgate«, sagte er schließlich.
    »Wer ist das?«
    »Sie kannte Williams und hat ihn das letzte Mal vor etwa zehn bis zwanzig Jahren gesehen. Sie lebte damals in Manhattan. Vielleicht tut sie das immer noch – wenn sie noch lebt.«
    »Noch was?«
    »Eigentlich nicht. Williams kannte diese Highgate. Wenn du sie findest, und sie lebt noch, dann möchte ich, dass du sie fragst, wo er wohl steckt.«
     
    Nachdem ich das Gespräch mit dem Geist der vergangenen Weihnacht beendet hatte, wählte ich eine andere Nummer.
    »Hallo?«, fragte er und keuchte wie ein fetter Köter, der hinter einer heißen Hündin her ist.
    »Was gibt’s, Bug?«, fragte ich den Computer-Wunderknaben.
    »Wie viele Liegestütze schaffen Sie, Mr. McGill?«
    »Achtzig oder so – wenn ich vorher aufwärme.«
    »Achtzig?«
    »Ja, warum?«
    »Ausgestreckt? Nicht auf Knien oder an der Wand, mein ich?«
    »Ausgestreckt.«
    »Ich muss nach drei aufhören.«
    »Vor drei Monaten hättest du aufgehört, bevor du überhaupt angefangen hättest.«
    Er holte Luft, wollte etwas sagen, holte erneut Luft und bekam heraus: »Was kann ich für Sie tun?«
    »Kennst du die Tweets, die Twill auf Twitter kriegt?«,
    »Ja.«
    »Ich möchte, dass du ihm elf Dollar schickst und die falsche Adresse in Queens angibst, die Zephyra für mich angelegt hat.«
    »Die lautet?«
    »Weiß ich nicht mehr. Ruf sie an und lass sie dir geben.«
    »Ähm …«
    »Was?«
    »Ähm … Ich soll sie anrufen?«
    »Wenn ich recht verstanden habe, willst du mehr als nur mit Zephyra reden.«
    »Ja, aber … Ich mein, na, Sie wissen schon.«
    »Hör mal, Junge, die Frau will was von dir. Daran besteht kein Zweifel. Vielleicht

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