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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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will sie nur eine gute Freundin sein, aber warum sollte sie dann sagen, du solltest mal in Form kommen?«
    »Wir haben uns nur das eine Mal allein gesehen.«
    »Ich habe dich nicht gebeten, dich mit ihr zu treffen. Nur anrufen.«
    Ich legte auf und sah zu dem Bankbewohner neben mir hinüber.
    Was ein schwarzer Mann hätte sein können, war in Wahrheit eine weiße Frau mittleren Alters, die ihre Plastiktüten neu arrangierte, um irgendeine ästhetische Wirkung zu erzielen, die mir entging.
    Sie sah mich mit ihrem breiten Kartoffelgesicht an und lächelte.
    Ich nahm das als gutes Omen, winkte und machte mich dann auf den Weg zu Azure.

17
    Mrs. A. Rogers war Mitte fünfzig, wie ich, aber sie hatte einen vollkommen anderen Weg dorthin eingeschlagen. Sie war weiß, komfortabel gepolstert, zart und ganz zufrieden mit der schalen Beschaulichkeit ihres Jobs. Ihr Ahornschreibtisch war klein, darauf befanden sich ein grüner Tintenlöscher, ein beiges Telefon mit einer Reihe von Knöpfen darauf und ein einzelnes gerahmtes Foto von ihr selbst, zehn Jahre jünger, neben einem freundlichen bärenhaften Mann, der seine Arme um sie gelegt hatte und mit lächelnden Augen in die Kamera blickte.
    Über Mrs. Rogers’ Kopf hing ein graues Schild, auf dem in gelben Blockbuchstaben AUFNAHME geschrieben stand. Der Empfang war kaum mehr als ein Vorraum. Dies hier war die Wespentaille der exklusiven psychiatrischen Anstalt, durch die Besucher und Angestellte zogen wie Sandkörner, die die monotonen Mikrosekunden hinunterrieselten, aus denen sich die Unendlichkeit zusammensetzte, in der Mrs. Rogers geduldig wartete.
    Zur Begrüßung lächelte sie mich milde an.
    »Leonid McGill, ich möchte zu Azure Chambers«, sagte ich.
    »Sind Sie ein Verwandter?«
    »Chrystal hat mich mit einer Nachricht geschickt.« Ich hatte meine Lektion gelernt. Obwohl Shawna mich engagiert hatte, musste ich, falls ich nicht Stirnrunzeln hervorrufen und abgewiesen werden wollte, diese Lüge aufrechterhalten.
    »Eine Nachricht?«, fragte die Frau mittleren Alters aus der Mitte des Mittelwestens.
    »Ja. Ich soll mit ihr reden über … Privates. Ich weiß, wie ich mich in ihrer Gegenwart verhalten soll, und Mr. Tyler weiß von dem Besuch.«
    Der zweite Schlüssel war sicherlich Tyler. Der Milchbubi war unter Bürgern wie A. Rogers ein Gott.
    Der Gefangene liebt seinen Wärter , fielen mir Vaters Worte wieder ein. Der Sklave verehrt seinen Herrn, und der Arbeiter vergöttert schon den Namen des reichen Mannes .
    A. Rogers sah mich aus ihren grauen Augen an, und ihr Lächeln verglomm.
    »Mr. Chambers bat mich, Hallo zu sagen«, fuhr ich fort und versuchte, die Glut dieses Lächeln am Leben zu halten. »Er hat mir erzählt, dass Sie seine Blumen weitergeben.«
    Ein kurzes schmerzliches Zucken durchfuhr das ansonsten regungslose Gesicht der Frau.
    »Er ist so ein netter Mann«, erklärte sie.
    Ich nickte ganz leicht.
    »Ich hasse es, ihm das antun zu müssen, aber selbst Blumen sind zu viel für Azure«, sagte A. Rogers zu mir, ihrem zeitweiligen Beichtvater. »Ich gebe sie anderen Patientinnen. Diese armen Seelen hätten nur zu gern einen Gatten wie Nathan.«
    Ich bemühte mich, verständnisvoll zu blicken.
    Dieser bezähmte Gesichtsausdruck durchdrang schließlich die passive Sperre, die unendliche Langeweile dieses Raums.
    »Setzen Sie sich, Mr. McGill«, sagte A. Rogers.
    Ich sah mich um und bemerkte einen dürren Stuhl aus Palisander, der, wie ich befürchtete, nicht in der Lage war, meine dreiundachtzig Kilo zu tragen. Ich nahm diese Aufforderung sportlich. Vielleicht stellte mich A. Rogers auf die Probe, ob ich es wohl schaffen würde, ihr Mobiliar nicht zu ruinieren, bevor sie mir so weit vertraute, um mich zu Azure zu lassen.
    Ich setzte mich vorsichtig hin und spannte die Waden an, um das Gewicht vom Stuhl zu nehmen. Während mein Gewicht unbeirrt zu Boden strebte, bemerkte ich, dass diesem rehzarten Stuhl eine Kraft innewohnte, die man sich beim besten Willen nicht hätte vorstellen können.
    Ich saß da, und die freundlich gestimmte Frau las und machte sich Notizen auf winzigen Stücken rosa Papiers. Soweit ich das beurteilen konnte, hatte sie keinen Anruf getätigt oder sonst eine Botschaft geschickt.
    Ich fing schon an, mich zu fragen, ob ihr Angebot, Platz zu nehmen, nur reine Freundlichkeit gewesen war, keine Einladung, als rechts von ihr eine Tür aufging.
    Die Frau, die das Empfangskämmerchen betrat, war A. Rogers’ Zwillingsschwester im Geiste. Mitte

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