Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
Vom Netzwerk:
möchten.«
    »Wohnung.«
    »In Ordnung. Sie sagten: ›Wohnung‹. Ist das richtig?«
    »Ja«, antwortete ich und sah zum Straßenschild hinauf.
    »Nennen Sie Namen und Vornamen.«
    »Highgate, Corinthia.«
    »In Ordnung. Corinthia Highgate. Soll ich Sie verbinden, ohne dass weitere Kosten entstehen?«
    »Ja.«
    Das Telefon war einen Augenblick lang tot, doch wusste ich aus Erfahrung, dass dies nur ein Teil der Scharade war. Die seelenlose menschliche Stimme kehrte in ihr elektronisches Grab zurück, und das System gab die digitalen Impulse meines Wunsches weiter.
    Es klingelte. Sieben Mal. Ich wollte schon eine Nachricht hinterlassen. Dann wurde das achte Klingeln abrupt unterbrochen, und eine zerbrechliche Frauenstimme sagte: »Hallo?«
    »Mrs. Highgate?«
    »Miss Highgate. Wer ist denn da?«
    »Ich heiße Ambrose Thurman«, sagte ich und benutzte den Namen eines Mannes, der ein Freund hätte werden können, wenn er nicht gewaltsam umgekommen wäre. »Ich … ich bin der Neffe eines Mannes namens William Williams.«
    »Lee. Ach, ich habe diesen Namen seit Jahren nicht mehr gehört, seit Jahren. Und Sie sind sein Neffe, sagten Sie?«
    »Ja. Na ja, eigentlich nicht. Mein Vater, John Laniman, starb kurz nach meiner Geburt …«
    »Tut mir leid zu hören.«
    »Schon okay. Das ist schon lange her, ich kann mich gar nicht daran erinnern. Jedenfalls hat meine Mutter wieder geheiratet – Williams’ Bruder Thomas.«
    Ich fand, das war ein netter, überzeugender Touch, mich, einen Schwarzen, zu einem Verwandten des vermissten Williams zu machen.
    »Ich wusste gar nicht, dass er einen Bruder hatte.«
    »Nur ein Halbbruder, und die Familie hatte sich irgendwie auseinandergelebt«, log ich. »Jedenfalls ist mein Stiefvater kürzlich verstorben, und ich habe beschlossen, den Kontakt zum alten Bill zu suchen.«
    Ich hatte Schauspielerei gelernt, nur um auch aus dem Stegreif überzeugend lügen zu können.
    »Lee«, sagte sie, nicht um mich zu verbessern, sondern als sentimentale Erinnerung. »Ist das lange her. Sicherlich mehr als fünfzehn Jahre. Länger. Er war so ein netter Mann, Ihr Onkel.«
    »Ich erinnere mich kaum an ihn.«
    »Woher haben Sie denn meinen Namen?«, fragte die körperlose, ältere Stimme.
    »Ich habe zufällig einen alten Freund der Familie getroffen«, erklärte ich. »Harris Vartan. Er meinte, er könne sich erinnern, dass Onkel Bill Ihren Namen erwähnt hätte.«
    Normalerweise sprach niemand, der für den Diplomaten des Verbrechens arbeitete, seinen Namen aus. Aber ich arbeitete ja nicht für den Mann. Ich tat einem alten Freund der Familie einen Gefallen, daher war sein Name weder tabu noch verboten – zumindest sollte er das nicht sein. Wenn doch, dann hatte er gelogen, und Miss Highgate hatte das Recht, einfach aufzulegen.
    »Vartan, sagten Sie?«
    »Harris Vartan.«
    »Der Name sagt mir nichts. Hat er gesagt, er würde ihn kennen?«
    »Nein, Ma’am, eigentlich nicht. Er hat nur gesagt, Onkel Bill hätte Sie gekannt.«
    »Das ist Jahre her. Was ist aus ihm geworden?«
    »Ich hatte gehofft, das könnten Sie mir sagen, Miss Highgate. Erst ist meine Mutter vor drei Jahren gestorben, jetzt mein Stiefvater, da dachte ich, ich sollte mal nach ihm suchen.«
    »Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, Mr. Thurman. Wirklich. Lee ist vor langem nach New Jersey gezogen, und wir haben uns aus den Augen verloren. Ich habe nicht mal mehr seine Nummer. Außerdem ist er von dort sicher schon wieder weggezogen. Ich weiß noch, ich habe eines Tages angerufen, und eine Frau, den Namen habe ich vergessen, meinte, er sei fort.«
    »Wie schade«, sagte ich. »Gibt es noch etwas, das mir helfen könnte, ihn zu finden?«
    »Nein. Ich weiß nur noch, wie klug er war und dass er über die komischsten Dinge lachen konnte.«
    »Was denn zum Beispiel.«
    »Eines Tages sind wir durch den Central Park gegangen, und eine junge Frau bat ihn, doch eine Petition gegen Grausamkeit an Tieren zu unterschreiben. Lee sah sie ganz überrascht an und fing dann an, laut zu lachen. Immer wieder sagte er: ›Grausamkeit … an Tieren‹, so als sei das der Witz.«
    Komisch, gewiss, aber keine Hilfe.
    »Vielen herzlichen Dank, Miss Highgate. Vielleicht kann ich Ihnen meine Nummer …«
    »Warten Sie«, unterbrach sie mich. »Da fällt mir noch etwas ein, Mr. Thurman.«
    »Was denn, Ma’am?«
    »Lee hat bei mir ein paar Bücher stehenlassen. Er meinte, er würde sie noch abholen kommen, aber das hat er nie getan. Wissen Sie, er hat diese

Weitere Kostenlose Bücher