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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Nun war ich verantwortlich. Deshalb hatte sie im Esszimmer auf mich gewartet, um mir die Fackel der Besorgnis zu überreichen.
    »Ist Gordo mit Elsa da drin?«, fragte ich und nahm ihr die letzten Sorgen ab.
    Sie nickte. »Es scheint ihm viel besser zu gehen.«
    »Die Chemo ist vorüber«, meinte ich. »Er wird sich wieder erholen – für eine Weile.«
    »Und du glaubst nicht, dass er Chancen auf Besserung hat?«
    »Meiner Erfahrung nach«, meinte ich, »wird es nur noch schlimmer.«
    Ich stand auf und ging hinaus.
     
    Ich betrat Gordos Bürosanatorium und fand ihn an einen Stapel Kissen gelehnt vor. Elsa saß auf einem Stuhl neben ihm. Ich war mir nicht sicher, aber es sah fast so aus, als hätten sie Händchen gehalten und erst losgelassen, als ich hereinkam.
    Gordo setzte sich ein wenig auf und lächelte mich an.
    »Hallo, junger Mann«, sagte er mit einem Ton in der Stimme, der an ihn ohne Krebs erinnerte.
    »Hallo, alter Mann«, erwiderte ich.
    Elsa lächelte und stand auf.
    »Mr. McGill.«
    »Ms. Koen.«
    »Es geht ihm heute viel besser«, erklärte die Pflegerin. »Er hat mich gefragt, ob ich tanzen kann.«
    »Das fragt er jeden Boxer«, meinte ich.
    »Wenn du nicht tanzen kannst, kannst du auch nicht boxen«, verkündeten Gordo und ich unisono.
    Wir lachten, und mich durchfuhr ein unvertrautes Gefühl der Leichtigkeit.
    »Ich geh mal nach nebenan«, sagte Elsa, »und lass euch Männer allein.«
    Sie ging mit einem Schwung hinaus, der mir vorher noch nicht aufgefallen war.
    »Gutaussehende Frau«, meinte Gordo, als die Tür hinter ihr zuging.
    »Seh ich auch gerade«, sagte ich.
    Ich setzte mich auf Elsas Stuhl und besah mir meinen ältesten Freund. »Du siehst gut aus.«
    »Fühl mich bestens«, meinte er. »Hab ordentlich von diesem Gift intus. Verdammt. Selbst Krebs fühlt sich besser an als das Zeug. Wie geht’s, Sohn?«
    »Dreißig Sekunden der dritten Runde, und der andere Kerl, von dem alle gesagt haben, er hätte keinen Punch, hat mir einen an die Rübe verpasst – und ich sehe nicht doppelt, sondern anderthalb.«
    Gordo grinste.
    Ich blieb im Bild. »Ich mache mir Sorgen um diese Runde, den Kampf und um meine eigenen zwei Beine, ob sie auch tun, was ich ihnen sage.«
    »Besser wird’s nicht«, meinte Gordo nur.
    »Hab ich dir verraten, dass der Ringrichter der Schwager des anderen Boxers ist?«
    »Ich habe Katrina wieder streiten hören«, bemerkte der alte Trainer. »Die gleiche Stimme. Ein junger Mann, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich konnte nicht hören, was sie sagten, aber es lagen Drohungen in der Luft.«
    »Wann war das?«
    »Zwischen elf und eins. Bevor Elsa gekommen ist.«
    Im Flur klingelte das Telefon. Ich fragte mich, ob es wohl Dimitri war, schob den Gedanken aber beiseite. Shelly würde mir schon Bescheid geben.
    »Du siehst gut aus, alter Mann«, wiederholte ich. Ich war all der Konflikte und Rätsel müde.
    »Ich fühl mich auch gut.«
    Ich beschloss zu gehen, solange alles gut lief, und stand auf.
    »In Runde fünf hast du wieder einen klaren Kopf«, ermunterte mich Gordo.
    »Wenn ich nicht in der vierten auf die Matte geschickt werde.«
     
    Shelly und Elsa standen im Flur und unterhielten sich.
    »Wer war denn dran?«, fragte ich meine Tochter.
    »Mom. Sie sagt, sie geht mit Magda ins Kino, und das Essen steht im Kühlschrank. Elsa sagt, sie bleibt und kümmert sich um Gordo.«
    »Wo ist Twill?«
    »Mit ein paar Freunden unterwegs«, antwortete Shelly. »Du weißt ja, was das heißt.«
    »Entweder kommt er bei Sonnenaufgang nach Hause, oder um drei Uhr früh ruft die Polizei an.«
    Shelly und ich grinsten, doch Elsa schaute verwirrt.
    »Keine Sorge, Ms. Koen«, beruhigte ich sie. »Wir lieben Twill.«
    »Er ist doch so ein netter Junge«, meinte die Pflegerin.
    »Es gibt keinen besseren in der ganzen weiten Welt«, pflichtete ich ihr bei. »Aber ihm klebt der Ärger an der Hacke wie das Weiß am Reis.«
     
    Katrina hatte ausgezeichnet gekocht. Glasierter Ochsenschwanz mit Rotkohl, Safranreis und Walnusskuchen zum Nachtisch.
    Als Gordo einen Nachschlag beim Kuchen wollte, fragte ich mich, ob an der westlichen Medizin vielleicht doch mehr dran war als nur Versicherungsbetrug und Ärzteausreden.
     
    Elsa willigte ein, über Nacht zu bleiben, falls es Gordo schlechter ging. Shelly meinte, wir könnten das Gästebett bei ihr im Zimmer aufstellen.
     
    Ich ging früh zu Bett und fragte mich, welche Kraft mich antrieb, wo es doch so viel zu tun gab und so vieles ungetan

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