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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Gefallen.«
    »Ich muss mit der Frau sprechen, die mich engagiert hat«, sagte ich. »Eine gewisse Shawna Chambers. Ihre Mutter hat mir gesagt, ich solle hier nach ihr suchen.«
    »Wenn Sie für sie arbeiten, warum muss dann ihre Mutter Ihnen sagen, wo sie lebt?«
    »Fragen Sie sie, und schicken Sie mir jemanden mit der Antwort.« Ich wurde ernst, eine ganz natürliche Reaktion auf das Dauergrinsen.
    Mein Telefon zwitscherte.
    »Shawna?«, fragte Schlitzohr.
    »Das ist alles«, sagte ich.
    Die Tür ging nach innen auf. Mindestens sieben Mann standen da.
    Fledermaus nickte mir zu und blinzelte, bevor er sich einen Weg durch die Meute bahnte und im Haus verschwand. Ich überlegte, ob ich mir gewaltsam Zutritt verschaffen sollte, sah dann aber davon ab.
    »Sagen Sie ihr, Leonid McGill wartet«, sagte ich, bevor mir die schwere Tür vor der Nase zufiel.
    Hinter der Glasscheibe meines Handys starrten mich in Schwarz und Grau die Worte Diese Wasser sind tief an. Eine Nachricht von Aura.
    Ich stand da und wünschte mir, noch einen Vater zum Hassen zu haben.

21
    Ich war wieder allein und fragte mich, ob der fröhliche Kerl namens Fledermaus meine Nachricht wohl überbringen würde. Vielleicht war Shawna auch nicht sonderlich erbaut, dass ich herausgefunden hatte, wer sie nicht war. Es gab mit allergrößter Sicherheit noch eine Reihe von anderen Ausgängen, die sie benutzen konnte, um sich zu verdrücken. Allerdings, so argumentierte ich, konnte eine Frau mit sechs Kindern nicht so schnell abhauen wie eine Frau ohne – genau wie ich.
    Das Telefon grummelte in meiner Tasche.
    »Ja?«
    »Mr. McGill?«
    »Ms. Koen«, sagte ich. »Brauchen Sie etwas?«
    »Er möchte mit Ihnen sprechen.«
    »Geben Sie ihn mir.«
    »Junge?«, fragte Gordo in mein Ohr.
    »Was gibt’s, alter Mann?«
    »Firpo hat mich angerufen. Er sagt, Ira hätte heute im Boxstudio ein paar ziemlich grobschlächtige Besucher gehabt. Glück für ihn, dass er nicht da war. Sie haben Firpo gesagt, er soll nicht verraten, dass sie da gewesen sind, aber er hat mich umgehend angerufen.«
    Firpo war Jazzmusiker, ein Tubaspieler, der als Hausmeister arbeitete. Die Tragödie des menschlichen Verstands bestand darin, dass er wusste, was er verloren hat und wohin er geht – beides zugleich.
    Die Barrikadentür ging nach innen auf, und ein Mann trat heraus.
    »Ich muss auflegen, Gordo«, erklärte ich. »Ich schau mir die Sache an, sobald ich mit meinem Job hier fertig bin.«
    »Cool.«
    Der Mann, etwa Mitte vierzig, war weiß und stämmig, mit harten Muskeln, die er mit Stolz zur Schau stellte. Eins zweiundachtzig, kahlköpfig, eine Vielzahl von Gesichtsnarben und ein blaues Tattoo: ein geflochtener Stacheldraht vom linken Mundwinkel hinab hinter den Kragen seines unpassend rosafarbenen T-Shirts. Der Blick in den Augen des großen Mannes sollte Furcht einflößen.
    Ich grinste ihn an.
    »Wer sind Sie?«, knurrte er mit Moskowiter Akzent.
    »Leonid«, antwortete ich und sprach den Namen so aus, wie ein Russe dies tun würde.
    Nun lächelte er. Seine Zähne waren fleckig von Kaffee, Zigaretten und dem bitteren Geschmack staatlicher Unterdrückung.
    »Iwan«, sagte er. »Iwan Berija.«
    »Irgendwelche Verwandtschaft?«
    »Sind wir alle Brüder, nicht, Genosse?«, erwiderte er und übertrieb seinen Akzent.
    »Ich möchte zu Shawna Chambers.«
    »Ist sie nicht hier.«
    »Aber sie lebt hier, richtig?«, fragte ich. »Vielleicht kann ich warten, bis sie zurückkommt.«
    »Geh weg.«
    »Gerne, Genosse Berija, aber dann bin ich in weniger als einer Stunde wieder mit den Bullen hier. Es sei denn, ich sehe Shawna innerhalb der nächsten fünf Minuten.«
    »Ist mir egal, Polizei.«
    »Das sollte es aber nicht. Unten in Philadelphia haben sie ein Haus voller Besetzer in die Luft gejagt, fast alles Kinder. Du glaubst, in der alten Heimat ist es dir schlecht ergangen, aber hier in Amerika gibt es ein Sprichwort: Mach das Beste aus dem, was du hast.«
    Mein Ton, nicht die Information, machte dem Kommunen-Exkommunisten Sorge.
    »Shawna ist weg.«
    Mir gefiel die Endgültigkeit dieses Satzes nicht.
    »Was ist mit ihren Kindern?«, fragte ich.
    »Sind Kinder.«
    »Entweder ich spreche auf der Stelle mit Shawna oder ihren Kindern, oder die Polizei wird sich mit ihren Hubschraubern und Bomben zum Mittagessen einladen.«
    Nach der Drohung zu urteilen, die in seinem Blick lag, konnte ich mir gut vorstellen, dass dieser Mann tatsächlich ein direkter Nachfahre von Stalins Geheimdienstchef war.

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