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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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indischen Kindermädchen.
    Sie kam misstrauisch auf mich zu. Ich hielt ihr die Tür auf und knallte sie hinter ihr zu, kaum dass sie über die Schwelle getreten war.
    Ich konnte ihren gedämpften Aufschrei im Flur hören, doch das bekümmerte mich nicht. Die Tür war schwer, es gab einen Riegel, also schob ich ihn vor. Es gab auch ein Schloss, das ich absperrte.
    Die Kinder hatten sich hinter Fatima versammelt. Sie stand hinter ihrem Hocker und hielt den dunkelhäutigen Zweijährigen im Arm.
    »Wo ist deine Mutter, Schätzchen?«, fragte ich sie.
    »Werden Sie uns retten?«, fragte sie zurück.
    »Ich werde mein Bestes versuchen.«
    »Sie ist fort, schlafen.«
    »Wann war das?«
    »Letzte Nacht. Ich hab geschlafen, und dann bin ich aufgewacht und hab den Mann gesehen … er kletterte aus dem Fenster.«
    »Hat er sie mitgenommen?«
    Sie schüttelte den Kopf und unterdrückte mit dieser Bewegung ihre Tränen.
    »Wo ist sie dann?«
    »Berija und die anderen haben sie zum Komposthaufen hinter dem Volksgarten bei der St. Matthew’s Church gebracht. Sie haben uns die Augen verbunden, bevor sie uns hinbrachten, aber Boaz hat es erkannt, denn da hat er sich versteckt, als er mal weggelaufen ist.«
    »Und da hat sie … schon geschlafen?«
    Ihr Nicken war so ernst und bedächtig wie ein Trauermarsch.
    Jemand klopfte an – mit einem Rammbock.
     

22
    »Ich muss dir eine Frage stellen, Fatima«, sagte ich zur Anführerin.
    Sie sah mich an und zuckte nur kurz zusammen, als der schwere Gegenstand ein zweites Mal gegen die Tür hämmerte.
    »Möchtest du, dass ich dich und deine Geschwister hier wegbringe?«
    Sie neigte den Kopf zur Seite und drückte die Augen zusammen, so als wolle sie einen neuen Slang entziffern.
    »Ich bringe euch hier raus, wenn ihr wollt.«
    Sie nickte, und die Kinder drückten sich enger an sie.
     
    Die Tür zur Wohnung war feuerfest, beschlagen mit dünnem, aber widerstandsfähigem Blech und innen höchstwahrscheinlich verstärkt. Ich hebelte einen Stuhl unter die Türklinke. Der Rammbock erschütterte die Barrikade so sehr, dass sich die Scharniere bewegten.
    Mit Fatimas Hilfe brachte ich die Kinder zu einer Feuerleiter, die ich schon beim Eintreten lokalisiert hatte. Ein kleines Mädchen schnappte sich seine Lieblingspuppe, sein Bruder, keine zehn Monate älter, schnappte sich eine Strahlenpistole. Ich hielt sie nicht davon ab. Ein Kind aus seinen Vorstellungen zu reißen, kostet fast immer mehr Zeit, als es wert ist.
    Fatimas kleiner Bruder weinte. Sie drückte ihn mir in die Arme und half ihren Geschwistern durch das Fenster hinaus. Wieder erzitterte die Tür, und, ganz unvertraut, flackerte Angst in meinen Lungen auf.
    Kaum hatte der kleine Junge sein Gesicht an meine Brust gedrückt, hörte er auf zu weinen. Wir waren die letzten beiden, die auf die Feuerleiter hinausstiegen. Angeführt von ihrer mutigen Schwester, eilten die anderen hinunter. Fatima löste die Leitern, stieg Stockwerk um Stockwerk hinunter und vergewisserte sich, dass alle in Sicherheit waren.
    Die Plattform im ersten Stock war verriegelt, Fatimas Hände waren nicht kräftig genug, um den Riegel zu bewegen. Ich wollte mich schon vorbeugen, als sie der Eisenstange einen Tritt verpasste, die Falltür sich öffnete und meine neugefundene Sippe auf den Bürgersteig klettern konnte.
    »He, ihr!«, rief eine Stimme von oben.
    Ich schaute nicht hinauf. Wozu? Ich wusste eh, dass sie hinter uns her waren. Manchmal muss man einfach das Beste aus dem machen, was man hat.
    Ich bin eigentlich nicht abergläubisch, doch als ich das gelbe Taxi die Avenue D entlangtrödeln und nach Kundschaft Ausschau halten sah, flehte ich darum, mein Taxi-Karma nicht bei dem Kerl vergeudet zu haben, den ich nach Brooklyn gezwungen hatte.
    »Taxi!«, brüllte ich in einer Lautstärke, die ich schon lange nicht mehr gebraucht hatte.
    Der Wagen blieb stehen.
    »Alle rein da«, sagte ich zu Fatima.
    Ein Beschwerdechor schallte aus den Fenstern und von der Feuerleiter über uns.
    »Ciao!«, rief ich den Verfolgern zu, während Fatima die Kinder ins Taxi scheuchte. »Wir sehen uns, wenn wir aus dem Zoo zurück sind!«
    Ich sprang hinein, nannte dem Fahrer eine Adresse, die ich gut kannte, und betete um grüne Ampeln.
     
    Im Taxi, den Kleinen auf dem Arm, gab ich einen Seufzer von mir. Die Furcht, die ich verspürte, bezog sich nicht auf meine eigene Sicherheit, sondern auf die Gefahr, in die ich die Kinder gebracht hatte. Ich war mir ziemlich sicher, dass meine

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