Bis dass der Tod uns scheidet
sich, die aussah wie aus frischem Heu geflochten. Dazu trug er grün-gelbe Tennisschuhe. Sham war stets bereit, davonzulaufen.
»Mr. McGill«, sagte er beim Eintreten.
Ich nickte vom Sessel aus. Kein Grund aufzustehen, wenn Sham den Raum betrat. Ich hatte keinen Respekt vor dem Kerl, auch nicht, als ich selbst noch ein Gauner gewesen war.
O’Hearn nahm jeden schmierigen Job an, der an seine Tür geschleimt kam. Noch schlimmer, er machte sich selbst an die Arbeit, fand Schmutz an Ehepartnern und Geschäftskollegen und bot dann sein Wissen für Geld den betroffenen Parteien an. Er rühmte sich, die Frauen von betrügerischen Männern zu verführen und mitten im Fall die Seite zu wechseln, wenn der Verrat mehr einbrachte.
Ich konnte nicht glauben, dass irgendjemand Sham O’Hearn mochte, noch nicht mal seine Mutter oder sein Spiegelbild.
»Was gibt’s?«, fragte ich.
»Darf ich mich setzen?«
»Bleiben Sie überhaupt so lange?«
Er ließ sich auf den Stuhl nieder, der der Tür am nächsten stand, und hockte auf der Kante. In seinen zusammengekniffenen, zuckenden Augen war eine Entschuldigung zu lesen.
»Tut mir leid, Mr. McGill«, fing er an.
»Was tut Ihnen leid?«
»Ich habe einen Job angenommen, und wenn ich dafür bezahlt werden will, dann muss ich … na, Sie wissen schon.«
»Nein«, entgegnete ich. »Ich weiß nicht, warum Sie hier sind, Sham. Und wenn Sie nicht langsam zur Sache kommen, schmeiß ich Sie raus.«
»Die Zeiten sind sehr hart«, sagte der Ire Mitte fünfzig. »Wenn ich gewusst hätte, hätte ich den Job nicht angenommen.«
»Ich stecke mitten in einem Fall, Mann. Haben Sie was damit zu tun?«
»Ich, ich glaube nicht.«
»Dann sagen Sie, was Sie zu sagen haben, und raus mit Ihnen.«
Die Heuaktentasche lag auf seinem Schoß. Er öffnete sie und nahm einen großen braunen Aktendeckel heraus.
»Ich hätte das auch mit der Post schicken können«, fuhr er fort. »Aber ich wollte nicht, dass Sie mich suchen. Es war nicht meine Idee, die Bilder herzubringen, und wenn da nicht das Geld wäre für die Miete … Sie, Sie wissen ja, ich habe mein Büro aufgegeben und arbeite von zu Hause aus. Selbst das kann ich mir kaum noch leisten.«
Ich streckte die Hand aus. Meinetwegen konnte er auf der Straße leben.
Mein angeblicher Berufskollege nahm all seinen Mut zusammen und reichte mir den Aktendeckel. Er musste sich einen Augenblick von seinem Platz lösen, um die Übergabe zu vollziehen, doch tat er dies kauernd.
In der Akte befanden sich neun Hochglanzfotos. Auf allen war Katrina mit einem erheblich jüngeren Mann bei enthusiastischem Sex abgebildet. Fellatio und Doggie-Style, Neunundsechzig und, allem Anschein nach, Analverkehr. Finger und Zungen, Schenkel und Akrobatik – Sex, wie ich ihn niemals mit jemandem gehabt hatte.
Ich blätterte durch die Fotos, mein Verstand wurde von zwei Gedanken beherrscht. Zum einen fragte ich mich, wie Sham solch gute Aufnahmen hatte machen können. Katrina und ihr Freund befanden sich offensichtlich in einer Privatwohnung. Die Fotos waren aus einer Vielzahl von Blickwinkeln und mit einem Teleobjektiv aufgenommen worden.
Was folgte, war tatsächlich Überraschung. Katrinas Liebhaber war gar nicht Dimitris älterer Schulfreund Bertrand Arnold. Es handelte sich um einen dunkelhäutigen Schwarzen, womöglich einen Afrikaner, mit einer schartigen Y-förmigen Narbe auf seiner kräftigen linken Pobacke. Er trug ein hellblaues Kondom, Katrina rote Stilettos.
Ich stand auf.
»Ich wusste nicht, dass es Ihre Frau war, als ich den Job angenommen habe«, beeilte sich Sham zu sagen. »Sie wissen doch, wie so was ist. Sie machen doch auch solche Arbeiten.«
»Wie viel hat Ihr Auftraggeber dafür bezahlt?«, fragte ich.
»Sechs, sechstausend. Einen Tausender vorab, den Rest nach Zustellung.«
»Wie erfährt er davon?«
»Er sagte, er würde es schon wissen.«
»Raus mit Ihnen, Sham«, erklärte ich.
»Hören Sie, Mann …«
»Raus, habe ich gesagt.«
Mehr war nicht nötig. Sham stand auf, drehte sich um und floh zur Tür hinaus, alles in einer flüssigen, tanzartigen Bewegung.
Ich legte die Fotos zurück in den Aktendeckel und legte ihn in die oberste Schreibtischschublade. Mardi ging nie durch meine Schubladen. Ich wartete ein paar Minuten, bis Sham die Etage verlassen hatte. Dann ging ich zu einem Laden in Greenwich Village.
Die Brown Bag Bakery befand sich an derselben Stelle auf der Bleecker Street, wo früher mal ein Geschäft für altes
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