Bis dass der Tod uns scheidet
spanischen Namen und dunkle Haut. Zwischen Einstieg und Ankunft sprach er kein einziges Wort.
Wir standen vor einem kleinen Wohnhaus an der East 33rd Street.
Ich drückte auf die Klingel und wartete.
»Wo fahren wir hin?«, hatte mich Iran unterwegs gefragt.
»Du wirst schon sehen«, hatte ich geantwortet.
Anderthalb Minuten später öffnete sich die schmutzig weiße Tür nach innen. Mary Deharain stand im Schein eines Lichts, das von oben fiel. Sie war groß, schlank und weiß. Sie sah aus wie jenseits der fünfzig, war aber noch ein ganzes Stück von der Rente entfernt.
Ich hatte sie kennengelernt, als ich noch auf der falschen Seite der Straße gearbeitet hatte.
Ohne es zu wissen, war Mary mit einem Serienkiller namens Bob Deharain verheiratet gewesen. Mary war keine Heilige, aber als sie die Vorliebe ihres Mannes entdeckte, kontaktierte sie mich über einen gemeinsamen Freund in der Welt der gestohlenen Güter. Ich sammelte Beweise dafür, dass Bob in Flushing einen Mord begangen hatte – eine Hausfrau, der er zuvor unbeschreibliche Dinge zugefügt hatte. Diese Informationen machte ich über einen Dritten der Polizei zugänglich.
Es handelte sich um einen der wenigen Fälle, die ich damals erledigte, ohne ein Honorar zu verlangen.
Als ich Mary das nächste Mal sah, war sie schon so gekleidet gewesen wie in der Nacht, als ich Iran Shelfly zu ihrer unauffälligen Pension brachte. Sie trug ein langes Samtkleid, das mit mindestens hundert münzgroßen Spiegeln besetzt war. In jener Nacht war es königsblau, und der Saum berührte den Boden. Sie besaß ein ganzes Spektrum an Exemplaren des gleichen Kleides, in Schwarz, Rot, Gelb und Dunkelgrün. Ich fragte sie nie danach, doch reimte ich mir zurecht, dass die Spiegel an all die unschuldigen Leben erinnern sollten, die ihr Gatte ausgelöscht hatte. Er war ein emsiger Killer gewesen, aber nur wegen der einen Tat verurteilt worden.
»Mr. McGill«, sagte sie und richtete ihren festen Blick dann auf Iran.
»Iran«, sagte ich, »darf ich dir Mary Deharain vorstellen?«
»Ma’am«, sagte mein Schützling. Er senkte seinen rasierten Schädel tatsächlich um ein paar Zentimeter.
»Mrs. Deharain hat sechs Zimmer im vierten Stock und sechs im fünften Stock dieses Gebäudes«, erklärte ich ihm. »Für hundertfünfzig Dollar die Woche servieren sie und das Mädchen, das ihr hilft, Essen und waschen das Bettzeug.«
»Ich hab kein Geld, Mann. Das wissen Sie.«
»Kost und Logis gehen auf mich«, erwiderte ich. »Außerdem bezahle ich dich dafür, dass du in meinem Büro arbeitest.«
»Wie viel?«
»Wir fangen mit zweihundert die Woche an und sehen mal, wie’s läuft.«
»Frühstück um sieben«, verkündete die strenge Vermieterin. »Mittag um elf Uhr fünfundvierzig, Abendessen um Viertel nach sechs. Keine laute Musik oder Fernsehen auf dem Zimmer. Auch kein Essen. Keine Gäste.«
»Keine Gäste?«, fragte Iran.
»Du kannst dich mit den anderen Bewohnern unterhalten«, fügte ich hinzu, »aber keine persönlichen Fragen, verstanden?«
»Ja«, sagte er und nickte. »Kapiert.«
Ich drehte mich zu Mary um. Sie nickte. Sie hatte ein ovales, hübsches, aber trauriges Gesicht, wie eine Leidensgestalt aus einem Roman von Charles Dickens. Sie hatte Bob geliebt. Sie besuchte ihn noch immer alle drei Wochen in Attice. Er hatte ihren Verrat nicht entdeckt. Und er wusste nicht, dass sie das ganze Ausmaß seiner Verbrechen kannte.
»Wir sehen uns morgen früh im Büro«, sagte ich zu Iran.
»Wann?«
»Sagen wir neun Uhr fünfzehn.«
Ich ließ ihn am Eingang zu dem unscheinbaren Gebäude zurück und ging in die Nacht hinaus.
Ich streifte gern durch die nächtlichen Straßen Manhattans. Schon als Teenager auf der Flucht vor der Erziehungs- und Heimbürokratie fand ich die Dunkelheit und die elektrischen Lichter beruhigend. Ich habe das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben, wenn ich helles Neon und tiefe Schatten sehe. Diese Entspannung hilft mir dabei, tiefer über die verwirrte Natur des Menschen und mich selbst nachzudenken.
Niemand wusste, wo Chrystal war. Nicht ihr Gatte, nicht ihre Schwester, nicht ihre Eltern. Sie steckte höchstwahrscheinlich in Schwierigkeiten – großen Schwierigkeiten. Und die einzigen Fakten, die ich besaß, waren Lügen: Shawna gibt sich als Chrystal aus; ein Cowboy tut so, als sei er ein eierköpfiger Milliardär; der Reiche gibt mir Geld und behauptet dann, ich hätte ihn erpresst.
Es gab drei tote Frauen: zwei waren mit
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