Bis dass der Tod uns scheidet
einstellen?«, fragte Mardi.
»Wie kommst du darauf?«
»Sie haben noch nie jemanden an einem unserer Tische sitzen lassen.«
Unsere .
»Er hatte es schwer im Leben, M. Vielleicht schwerer, als er es verdient hat.«
Die letzten paar Wörter zeigten in ihren blassen Augen Wirkung.
»Sie haben ein gutes Herz, Mr. McGill«, stellte sie fest, und ich wurde den Gedanken nicht los, dass sie mir in den Kopf gesehen und verstanden hatte, dass ich Anteil an Irans schwerem Schicksal hatte.
»Es geht hier nicht um mich«, unterbrach ich den Gedanken. »Ich mag den Burschen. Ich glaube, er hat Potenzial.«
»Ja«, pflichtete sie mir bei. »Er ist loyal und weiß mehr, als die Leute denken. Er ist wahrscheinlich auch ziemlich mutig, wenn auch nicht so wie Sie oder Twill. Das sind eh nicht viele Menschen.«
Sie war weder auf eine Gehaltserhöhung noch einen sicheren Arbeitsplatz aus. Ich hatte Mardi und meinen Sohn davon abgehalten, zu Mördern zu werden. Ich hatte ihr einen Job gegeben, als sie nicht wusste, was sie tun sollte … und natürlich hatte ich dafür gesorgt, dass ihr Vergewaltigervater im Gefängnis saß und nie wieder einem Kind etwas antun würde.
Ich schüttelte den Kopf und grinste, stand auf und sagte: »Hier steh ich nun, ich Mann der Geheimnisse, und an meinem Telefon sitzt Dodona.«
»Wer ist das?«
»Schlag nach.«
Es war Zeit, sich ums Geschäft zu kümmern.
Kaum saß ich hinter meinem Schreibtisch, griff ich nach dem Telefon und wählte eine frisch auswendig gelernte Nummer.
»Mr. Tylers Büro«, sagte Phil, der Pastellfarbberater.
»Leonid McGill, ich möchte Mr. Tyler sprechen.«
»Er ist nicht da.«
»Finden Sie ihn und verbinden Sie mich mit ihm, egal, wo er ist.«
»Tut mir leid, Sir. Das kann ich nicht.«
»Ich habe wichtige Informationen für ihn. Deshalb hat er mich engagiert.«
»Bleiben Sie dran.«
In der Stille fragte ich mich, ob ich nicht einfach das Geld nehmen und all die Künstlerinnen und Milliardäre vergessen sollte. Doch dann fielen mir wieder diese Kinder ein. Ich hatte ihnen mein Wort gegeben.
»Mr. McGill«, sagte Phil. »Ich habe Mr. Pelham in der Leitung.«
»Hallo«, sagte der weiß-auf-weiße Mann in einer Leitung voller statischem Rauschen.
»Ich hatte darum gebeten, mit Mr. Tyler zu sprechen«, erklärte ich.
»Er ist indisponiert.«
»Ich kann so lange warten, bis er vom Klo kommt.«
»Mr. McGill«, sagte Pelham, eine Seele von Geduld. »Cyril ist außer Landes, und ich bin bei einem Meeting eines seiner Aufsichtsräte in Denver. Keiner von uns kann im Augenblick viel für Sie tun. Also … Wenn Sie Informationen haben, geben Sie sie mir.«
»Ich habe eine Geschäftsbeziehung mit Ihrem Boss. Es wäre unprofessionell, private Informationen einfach weiterzugeben.«
»Haben Sie von Chrystal gehört?«
»Das kann ich nur Mr. Tyler sagen.«
»Er hat mir Vollmacht erteilt, diese Informationen von Ihnen entgegenzunehmen.«
»Das erste Mal, dass ich davon höre.«
»Ich bin sein Anwalt.«
»Und ich sein Ermittler. Also, wenn er haben möchte, was ich zu geben habe, wird er mich anrufen müssen.«
Ich legte auf und fragte mich, welche Wege die Kommunikation bei Tyler nahm. Pelham wusste doch bestimmt von der Beschwerde, die gegen mich beim NYPD vorlag. Höchstwahrscheinlich hatte er sie selbst eingereicht. Und doch verlor er kein Wort über ihre Masche.
Was hatten sie vor?
Die Gegensprechanlage summte.
»Ja, Mardi?«
»Hier ist ein Patrick O’Hearn, der mit Ihnen sprechen möchte, Sir.«
Im Hintergrund konnte ich einen Mann murmeln hören.
Mardi fügte hinzu: »Er sagt, ich soll Ihnen mitteilten, er sei Old Sham.«
Ich holte tief Luft, war voller prosaischer Ungewissheit. Ich hatte nicht den Wunsch, mit Old Sham zu reden.
Dann hauchte ich: »Schick ihn rein.«
29
Sham O’Hearn war klein, knapp eins neunundsechzig, aber immer noch größer als ich. Ursprünglich stammte sein Spitzname vom irischen, Glück bringenden Kleeblatt, dem Shamrock, doch im Laufe der Zeit nahm das Wort wieder seine wahre Bedeutung an: Sham, Täuschung, Betrug. Patrick O’Hearn, eine lebende, wandelnde Lüge.
Sham war dürr, hatte haselbraune Augen und stumpfe weiße Haut. Normalerweise trug er Sachen in Grau und Gelb, mit ein paar braunen Tupfern. Diesmal trug er einen braun-hellbraun karierten Anzug, neu und billig, ein Hemd, das golden wirkte, und einen dunkelbraunen Hut mit schmaler Krempe und einer grünen Feder im Hutband. Er trug eine Aktentasche bei
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