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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Kautionseintreiber? Was interessierte mich, ob eine Kuh in Neuseeland das erste dreiköpfige Kalb zur Welt gebracht hatte oder mit wem meine Frau mir Hörner aufsetzte?
    Warum würde ein Mann, der mit der Frau eines anderen eine Affäre hat, ihm ihre Untreue verraten? Konnte Rache sein gebrochenes Herz heilen oder Katrina von den Irrwegen abbringen? Wenn ich D’Walle erschoss, wer immer das auch war, hätte Bertrand dann bekommen, was er wollte?
    Es war, als würde man mit einer Schrotflinte auf eine Wolke Schmetterlinge schießen, nur weil man an den Boden gefesselt und neidisch war – es ergab keinen Sinn und war Verschwendung der wenigen Zeit, die wir hatten, um den Sinn zu erhaschen.
    Ich hing diesen Gedanken nach, spürte das Gewicht der Waffe in meiner Jackentasche und stellte fest, dass ich in Richtung Broadway gegangen war und nun nach Norden lief. Meine Gedanken waren bruchstückhaft, schwerelos. Der Geisteszustand eines Boxers nach einer soliden Rechten auf den Kopf. Alles gerät durcheinander, aber der Boxer weiß, dass es eine wichtige Tatsache gibt, um die er sich sofort kümmern muss. Vielleicht gab es ja tatsächlich irgendwo ein dreiköpfiges Kalb, aber dieses Wissen war nicht hilfreich.
    Fäuste nach oben , brüllte Gordo jeden arroganten jungen Boxer an, der glaubte, zu schnell, zu aalglatt zu sein, um getroffen zu werden. Doch selbst der Gedanke an Gordo brachte mich vom Weg ab. Der Mann, der an die Stelle meines Vaters getreten war … lag in dem Zimmer, in dem ich die Vernichtung so manches unschuldigen und nicht ganz so unschuldigen Lebens geplant hatte, im Sterben.
    Mit diesem letzten Gedanken landete ich vor der Tür zu Aura Ullmans Haus. Instinkt und Pflichtgefühl hatten mich hierhergebracht. Nun waren die Kinder meine Klienten, und den Tod ihrer Mutter aufzuklären war mein Job.
    »Ja?«, lautete die Antwort auf mein Klingeln.
    »Aura?«
    »Leonid«, sagte sie, und der Türdrücker summte.
     
    Aura stand in der offenen Tür, als ich eintraf, und Sonnenlicht strahlte von hinten in den Flur. Sie lächelte und hielt mir beide Hände hin. Ich nahm sie, zog ganz leicht und spürte zwiespältigen Widerstand.
    »Komm herein«, sagte sie.
    Das Wohnzimmer war ein Chaos. Überall lagen Kinderkleidung und Spielzeug, Malbücher und Bilderbücher herum. Auf dem Fernseher waren Schmierflecken, auf einem Stuhl, der ins Esszimmer gehörte, stand ein Pappteller mit einem halb gegessenen Erdnussbutter-Gelee-Sandwich.
    Aura lächelte, und ich lernte etwas Neues über sie: Sie liebte die Unordnung von Kindern.
    »Ich musste ihnen allen neue Sachen kaufen«, erzählte sie stolz. »Sie sagten, du hättest sie mitgenommen, ohne dass sie hätten packen können.«
    »Wo sind sie?«, fragte ich.
    Sie lächelte und winkte mich zu dem wandhohen Fenster mit Ausblick auf den Privatpark.
    Auf einer kleinen Lichtung führten Theda und Fatima die Sippschaft in einem etwas eierigen Kreistanz. Theda hielt Uriah, den Kleinsten, auf den Armen, Boaz trug seine kleinste Schwester. Es wurde gelacht und gesungen.
    Aura lächelte auf sie hinab.
    »Danke, Leonid«, sagte sie.
    »Ich liebe dich«, erwiderte ich.
    »Setzen wir uns.«
    Ich setzte mich in einen blau gepolsterten Sessel, sie sich auf das cremeweiße Sofa, das in den letzten vierundzwanzig Stunden ein paar Flecken abbekommen hatte.
    Sie sah, dass ich die Flecken bemerkt hatte, und meinte: »Die Möbel kann ich neu polstern lassen, wenn du ihre Tante aufgestöbert hast.«
    Ich wollte sie fragen, was sie von Fatima und ihrem kleinen Clan herausbekommen hatte, doch da lag noch eine andere Frage auf dem Tisch.
    »Es gibt keine Zeit für uns, Leonid«, erklärte Aura.
    »Die kann ich mir nehmen.«
    »Nein«, entgegnete sie, »kannst du nicht. Du hast zu viel zu tun, hast zu viele Eisen im Feuer.«
    »Wir könnten New York verlassen. Das würde ich für dich tun.«
    »Das darf ich mir nicht erlauben«, entgegnete sie. »Bitte … sei im Augenblick einfach nur mein Freund.«
    »Für wie lange?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Aura. »Vielleicht für immer.«
    Ich hatte Männer mit bloßen Händen umgebracht, hatte so viel eingesteckt, dass es mich selbst schon viele Male hätte erledigen können. Ich hatte Feinde und einen Polizisten, der eigens dafür abgestellt war, mich einzubuchten. Es gab Menschen, die in diesem Augenblick litten, weil ich sie hereingelegt hatte. Und nun saß ich hier – ein Teenager mit wundem Herzen.
    Ich holte tief Luft und atmete aus, erinnerte

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