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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Dinge, die nicht direkt miteinander zu tun haben und dennoch wichtig sind.
    Diese Aktivitäten können in einem Leben wie dem meinen gefährlich sein oder gar tollkühn, aber das Leben ist selbst zu besten Zeiten ein Unterfangen für Trottel. Kein Gott würde auch nur für eine Sekunde mit einem von uns dummen Sterblichen tauschen.
     
    Um sechs Uhr vierundzwanzig klopfte ich an die Tür zu einem Einfamilienhaus an der 5th Avenue, nicht weit nördlich des Washington Square Park. Es handelte sich um eine fünfstöckige pinkfarbene Angelegenheit mit dunkelgrünem Efeu an den Wänden. Die Treppe war aus grünem Marmor, die Eichentür uralt. Drei versteckte Kameralinsen beobachteten mich, zwei von vorn, eine aus dem Geäst eines Baumes auf dem Bürgersteig.
    Ein Mann kam an die Tür. Er war keinen Zentimeter größer als eins vierundsiebzig, schlank (aber nicht dünn), hatte gekämmte, kurze braune Haare und Augen im selben Farbton. Seine Hose war grün, sein braunes Hemd gerade geschnitten.
    Er trug ein altes Paar offener brauner Hausschuhe.
    »LT«, sagte er und lächelte sogar.
    Hausschuhe .
    Ich nickte und murmelte etwas, das nach einer Begrüßung klingen sollte.
    »Komm herein«, sagte der Mann, trat zurück und holte mit dem linken Arm weit aus.
    Der Flur und jedes Zimmer, das ich in diesem Haus gesehen hatte, hatte dunkle Hartholzdielen und blaugrüne Wände.
    »Kann ich dir die Jacke abnehmen?«, fragte der Mann.
    Ich schüttelte den Kopf und hörte den Donner kleiner Füße.
    »Überraschung, Onkel L«, schrie der kleine siebenjährige Junge.
    Aus einem Meter Entfernung sprang er mir in die Arme. Ich wirbelte den nussbraunen Kerl im Kreis herum und hielt ihn dann hoch in die Luft. »Hast mich erwischt, Thackery«, sagte ich. »Hast mich erwischt.«
    »Ich hab ihn, Daddy«, rief der Junge fast kopfüber dem Mann zu.
    Thackerys Vater schaute so besorgt, wie ein Mann wohl schaut, wenn ein Kerl wie ich seinen Nachkömmling in die Höhe hievt.
    »Leonid«, sagte eine Frau, die in der Tür stand, die ins Erdgeschoss des 12-Millionen-Dollar-Hauses führte.
    »Mama, ich hab Onkel L erwischt«, verkündete Thackery und lachte wie wild.
    Die Frau war noch dunkler als ihr Sohn. Sie hatte ein reizloses Gesicht, doch war etwas an ihr, das von Gebeten und Engeln sprach – eine innere Schönheit, die sich nicht verbergen ließ.
    »Tam«, sagte ich, und sie trat vor, um mir einen Kuss zu geben, während ihr zappelnder Sohn zu Boden sprang.
    »Du bist ganz pünktlich, LT«, erklärte der sanftmütige Mann. »Wir haben gerade aufgetischt.«
    Seine Frau lächelte, gab mir erneut einen Kuss und umarmte mich.
    »Komm rein«, sagte sie.
    Ich lächelte, und sie legte den Arm um mich.
    Ich bin stolz, sagen zu können, dass ich nicht zitterte.
     
    Man musste schon verrückt sein, sich an einen Esstisch mit einem Auftragsmörder zu setzen, selbst wenn dieser Mörder nun im Ruhestand war und eine Leihlimousine fuhr, um sich zu beschäftigen.
    Tamara hatte einen Hackbraten aus Kalb und Lamm zubereitet, mit einem Mantel aus Apfel- und Birnenstücken. Dazu gab es einen Tropenfrüchtesalat, in Hühnerbrühe gekochten Wildreis und Kohlgemüse, das den ganzen Tag zusammen mit Schweinshaxen gekocht hatte und mit Silberzwiebeln abgeschmeckt war.
    Der Esstisch stammte von einem französischen Möbelschreiner aus dem sechzehnten Jahrhundert und war an den Zargen mit Wasserspeiern und Heiligen verziert. Jedes Tischbein war ein Pferd, das auf den Hinterbeinen stand und einen Reiter trug, der sich festklammerte, als ginge es um sein Leben.
    Das Essen, das Dekor, selbst die Farbe der Wände ergaben außerhalb des einzigartigen Familienkontexts nur wenig Sinn, doch dies war das Heim eines Mannes und einer Frau, die jeweils für sich allein nicht in der Lage gewesen wären, in dieser modernen Welt zu überleben.
    »Daddy«, sagte der Junge.
    »Ja, Thackery?«
    »Onkel L hat mir erzählt, dass er mal beinahe von dem Baum auf der anderen Straßenseite gefallen wäre.«
    »Wirklich?«, sagte Hush überrascht, lächelte und sah mich an.
    »Hm-hm. Würdest du da auch beinah runterfallen?«
    »Ich würde noch nicht mal auf die dumme Idee kommen, auf einen Baum zu klettern.«
    »Warum nicht? Ich kletter gern auf Bäume.«
    »Vielleicht hat dir dein Onkel deshalb erzählt, dass er beinahe heruntergefallen ist«, meinte Hush. »Vielleicht hat er dir gesagt, dass jeder aus einem Baum fallen und sich wehtun kann, sogar er.«
    »Ich nicht«, widersprach Thackery

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