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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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beobachtete.
    »Ich sag dir was, Seema. Ich geb dir Geld, wenn du möchtest. Aber ich nehme dich auch mit und setz dich ab, wo du willst.«
    Ihr Blick huschte über das weite Feld der Möglichkeiten.
    »Brody wird mich nicht gehen lassen.«
    »Brody kann dich nicht aufhalten, Baby. Weißt du, ich bin Hammer und Amboss.«
    Sie musste das Sprichwort wohl noch von einem älteren Verwandten her kennen.
    »Ich will keinen Ärger machen, Mister.« Sie machte kehrt, als wolle sie mich stehenlassen.
    »Moment, Mädchen«, stoppte ich sie. »Ich hab dir doch gesagt, ich gebe dir Geld. Wie viel baucht ihr denn?«
    »Fünfzig.«
    Ich griff in die Gesäßtasche und zog meine dreißig Jahre alte, rotbraune Brieftasche heraus. Ich nahm einen Fünfziger und eine Visitenkarte. Beides reichte ich Seema.
    »Steck die Karte ein«, sagte ich. »Wenn du irgendwann mal das Gefühl hast, du musst da raus, ruf mich einfach an. Ich bin da und tue mein Bestes, um zu helfen.«
    Bis zu diesem Augenblick war von der jungen Frau eine Art unfokussierte Intensität ausgegangen. Doch das Gewicht des Versprechens, zusammen mit dem ganzen Geld und der Karte, brachte sie dazu, mich direkt anzusehen.
    »Danke. Vielen, vielen Dank, Mister.«
    Sie steckte die Karte in die eine, das Geld in die andere Tasche und drehte sich um. Ich sah zu, wie sie auf Brody zuging und begriff langsam, dass sich mein Beruf in eine Berufung verwandelt hatte.
     
    Auf dem Parkplatz stand ein hellgelber Prius, die Schlüssel befanden sich in einer kleinen magnetischen Schachtel an der Innenseite der hinteren Stoßstange, Zusatzleistung eines landesweiten Netzes aus Autoverleihern, die alle möglichen Fahrzeuge an Klienten wie mich lieferten. Zephyra hatte stets einen Wagen für mich parat, ganz gleich, wo ich ihn brauchte.
     
    Ich gab die Adresse ins Navi meines Handys ein und ließ den Parkplatz des Bahnhofs hinter mir.
    Die Route führte über Nebenstraßen und heruntergekommene Avenues, in denen der Handel fast völlig zum Erliegen gekommen war und die bevölkert waren von Fußgängern, die nach einem Auskommen suchten.
    Baltimore hatte einen großen schwarzen Bevölkerungsanteil, Seelen, die schon seit Generationen dort lebten und noch immer keine Nachricht von dem Amerika nach Ende des Rassismus erhalten hatten.
    Ich kam durch Viertel, die früher mal schick, nun aber Slums waren, und Gegenden, die als Arbeiterviertel begonnen hatten und es noch immer waren. Die Strecke führte mich nur an wenigen Ladenketten vorbei. Keine schicken Cafés, keine 99 Billion Served , keine riesigen Supermarktparkplätze oder Warenhäuser, die alles anboten, was die unterdrückte chinesische Bevölkerung herstellen konnte.
    Stattdessen gab es Geschäfte wie Juma’s Grocery Market und Cosmo’s Boiled Crab and Ribs .
    Freeling Drive war eine ruhige Straße mit kleinen Streichholzschachtelhäusern. Die meisten waren gut in Schuss. Mein Navi sagte mir, dass ich mein Ziel erreicht hatte, also parkte ich am Straßenrand zwischen einem limongrünen Pickup und einem blauroten 1969er-Cadillac.
    Ich suchte nach der Nummer 47. Das weiß getünchte Haus war viereckig, davor ein Rasen von vier Metern auf sechzig Zentimeter. Rechts davon stand ein gelbes Haus, links ein graues. Vor der Eingangstür gab es keine Veranda, keinen Weg, nicht mal eine Schwelle.
    Ich blieb einen Augenblick stehen, hielt William Williams’ Aktentasche in der Hand und nahm meine fünf Sinne zusammen. Meine Klienten waren eine Schar Kinder, deren tote Mutter mich unter dem Vorwand engagiert hatte, die Besitzerin dieses bescheidenen Heims zu sein.
    Wenn sinnlose Unterfangen der Schlüssel waren, dann hatte ich Zugang zum Schlaraffenland.
    »Entschuldigung«, sagte eine Männerstimme ohne jede Spur von Höflichkeit.
    Sie waren zu viert, drei Männer und eine Frau, alle schwarz, alle sehr ernst, wenn nicht gar aufgebracht. Einer der Männer hielt in der linken Hand einen kleinen Gartenspaten. Ich fragte mich, ob er gerade von der Gartenarbeit kam oder ob er dieses Gerät extra ausgesucht hatte, um mir zu schaden. Ich fragte mich auch, ob er wohl Linkshänder war.
    »Ja bitte?«, fragte ich den Mob.
    »Was machen Sie hier?«, fragte ein dunkelhäutiger Mann Mitte vierzig in weitem gelbem T-Shirt und schwarzer Hose. Eins zweiundsiebzig, also klein nach üblichem Maßstab.
    Ich hielt die Aktentasche in die Höhe und antwortete: »Geschäfte.«
    »Was wollen Sie von Miss Murphy?«, wollte die Frau wissen. Sie war größer und

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